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Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Bis ans Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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überraschen. Immerhin sind wir ja damals kühl und schweigend auseinanderg e gangen und uns seitdem ignoriert. Also lehnte sie ab. Aber ich dachte an die Si t ten der Slawen, die auch erstmals höflich ablehnen, wenn man ihnen etwas a n bietet, um nicht unhöflich oder gar gierig zu wirken, und wollte ihr noch eine zweite Chance geben, indem ich vorschlug, doch wenigstens das Knie zu ba n dagieren und den Rucksack zu übernehmen. Vielleicht war es dann doch zu viel des Guten. Ihre Augen flackerten etwas. Aber sie lehnte wiederum ab. „Tapferes Mädchen,“ dachte ich, als ich weiterging, tröstete mich jedoch damit, daß es ins Dorf nicht allzu weit sein kann. Das war es in der Tat nicht, und ich verbrachte da die Mittagsstunde, während ich mich an der Sonne wärmte und mit dem fra n zösischen Trio aus Orleans plauderte. Es war ein kleines, doch nicht ganz unb e deutendes Kaff. Einst im Mittelalter fand hier angeblich ein Kirchenkonzil statt. Die windschiefen, niedrigen Häuser krallten sich in den Steilhang, verbunden nur durch diese eine enge Straße, durch die jeder hindurch mußte. Aber ich sah die junge Frau nicht mehr kommen und machte mir ein bißchen Sorgen um sie.
    Den Weiterweg fand ich später einmal so schön, treffend und poetisch beschri e ben, wie ich es selbst nicht besser könnte. Und so hilft nur das Abschreiben: Der Bergrücken war ganz schmal geworden. Von rechts zog sich ein schluchttief eingeschnittenes Tal heran mit einem Band grüner Wiesen im Bachgrunde. Vo r aus öffnete sich breit das Bierzo . In den Feldern standen Männer und schwar z verhüllte Frauen beim Kornscheiden und Garbenbinden, ließen sich lange Strahlen aus ihren tönernen Krügen in den Mund rinnen, und die Esel, die sie hierhin getragen hatten, sahen hinüber zu ihnen und schrieen. Aus Talfalten, Schluchten quollen und wuchsen die Laubkaskaden quellgrüner Maronenbäume. Es wirkte um so ergreifender, als sich der Weg anschickte, in diese Schluchten hinabzustürzen. Er drehte, wand sich, glitt an den Abgründen vorbei, stieß manchmal pfeilgrad neben der Tiefe hin, kehrte sich wiederum, führte eine letzte Pirouette auf und war da, war am Ziel, übersprang in äußerster Anstrengung ein Wasser und drang in Molinaseca ein. Ich freute mich sehr über diesen We i terweg auf engen Pfaden durch steile Schluchten ins Tal. Es wäre beim Regen gewiß kein Vergnügen, nun aber schien die Natur wie ausgewechselt, und mein Herz frohlockte. Zikaden surrten, Vögel zwitscherten, Frieden und Harmonie herrschten rundum. Ich sprang geschwind wie eine Gemse vom Stein zu Stein und wies dem Herrn die schönen Details am Wegrand, bis er am Ortseingang von Molinaseca zurückblieb. Trubel und Ablenkungen mochte er nicht.
    Als ersten Menschen sah ich dann das kürzlich noch lahme Fräulein, nun frisch geduscht, fröhlich und kaum noch hinkend mit ihrem Freund auf der anderen Straßenseite entgegen kommen. Offenbar hat er sich inzwischen motorisiert und sie aus der mißlichen Lage befreit. Oder sie konnte fliegen. Jedenfalls benötigte sie meine schwache, zögerliche Hilfe nicht, und ich sorgte mich völlig umsonst. Besser als umgekehrt, fand ich, und nistete mich gutgelaunt in einem nagelne u en privaten Alberque ein. Mir gefiel die schöne Terasse. Hier konnte man bei einem Gläschen Wein den Rest des Tages in aller Ruhe genießen. Das bißchen Ambiente schien das “bessere” Publikum anzuziehen. Ältere, erfolgsgewöhnte Herrschaften, meist aus Österreich und der Schweiz, die den Jakobsweg etappenweise passierten. Sie hatten ihre eigenen Sitten und Gewohnheiten. Am Nebentisch saß eine ältere distinguierte Dame, trank ein Proseco und rauchte genüßlich eklig stinkende spanische Stumpen. Es war schon zu lange her, daß ich selbst rauchte, um das Aroma noch zu schätzen. Unauffällig wechselte ich einige Male den Tisch, um dem Gestank zu entkommen. Dafür erlauschte ich die Berufsgeschichte eines ehemaligen Managers aus der Autoindustrie. Der Mann verbrachte seine Karriere im internationalen Handel, nun mußte er trotz bester Verkaufserfolge einem Jüngeren den Platz räumen. Er schien noch nichts davon gehört zu haben, daß bei den Konzernen der Mensch nach seinem Preis und nicht etwa nach seinen Fähigkeiten gehandelt wird, und meinte, die Firma habe sich selbst geschadet. Zwischenzeitlich jedoch habe er allerdings eine e i gene Vertriebsfirma gegründet, fahre jährlich hunderttausend Kilometer, das freilich in einem ordentlichen

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