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Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Riehl
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wohl.«
    Miriam schniefte, ein paar Tränen liefen ihre Wangen hinunter bis in die Mundwinkel. Ralf nahm sie in den Arm und drückte sie an sich. Er würde hoffentlich nichts auf die lange Bank schieben, sondern es Kristine sagen, sobald sie ihr begegneten. Er musste ihr ins Gesicht sehen und Vorwürfe, Wutausbrüche und Heulkrämpfe abperlen lassen wie letzte Tropfen eines reinigenden Gewitters am Palmenblatt. Theoretisch zumindest.
    Beth kam zu ihnen herüber. »Egal worum es ging: Die anderen sind Schweine und ihr habt Recht.«
    Miriam putzte sich die Nase und brachte ein Lächeln zustande: »Danke.«

    Die Route von Cairns nach Norden nannte sich großspurig Cook Highway, war aber nicht mehr als ein Küstensträßchen. Auf den 110 Kilometern machte der Bus immer mal wieder einen kleinen Umweg, um Haltestellen abzuklappern, selten stieg jemand ein oder aus. Falls doch, öffnete der Fahrer die Tür mit einem Handhebel, der Bus hatte mindestens dreißig Jahre auf dem Buckel. Als sie nach Port Douglas kamen, einem Städtchen voller gepflegter Urlaubsdomizile, registrierte Ralf bei aller Noblesse eine gewisse Verschlafenheit. Nun, kein Wunder: Sie waren auf dem Weg zur Mitte von Nirgendwo, das hier musste der Rand sein.
    Hinter dem Ort Mossman ging es in einem kleineren Bus mit Allradantrieb weiter, vorbei an kilometerlangen Zuckerrohrfeldern und einer stillgelegten Eisenbahnstrecke, mit deren Hilfe einst die Ernte zu den Häfen transportiert wurde. Über den Fluss führte keine Brücke, nur eine alte Seilzugfähre - dahinter gab es keine Straßen mehr, nur Pisten.
    Echte Wildnis. Mangrovenbäume protzten mit ausladenden Wurzeln, üppiges, exotisches Grün türmte sich übereinander auf. Auf der anderen Seite würde es kein Zurück mehr geben - man war auf sich selbst gestellt. Ralf sagte der Zivilisation für eine Woche Auf Wiedersehen, hallo Dschungel!
    Der Bus bretterte erbarmungslos über jedes Schlagloch der Piste entlang der schnurgerade durch den Wald geschlagenen Schneise. Nach ein paar Abzweigungen gab Ralf alle Orientierungsversuche auf, er konnte sich die Kreuzungen nicht merken und der Dschungel sah immer gleich aus.
    Während er auf dem Sitz von Steinen, Mulden und Wurzeln durchgeschüttelt wurde, dachte er an David und Carol. Sie wollten Miriam nicht wehtun und hatten es durch die Geheimniskrämerei doch erst recht getan. Wie beim Orakel von Delphi: Wenn jemand dem ihm prophezeiten Schicksal entgehen wollte und alles tat, damit sich der Orakelspruch nicht erfüllte, erfüllte sich der Spruch wegen irgendeines verrückten Zufalls gerade durch die verzweifelte Gegenwehr.
    Also? War alles egal, jeder Versuch sinnlos, seines Glückes Schmied zu sein? War das Schicksal ein Trichter, der dich nur durch eine Öffnung lässt, egal welche Richtung du eingeschlagen hast? Wenn es so war, schwante Ralf, dann war für ihn garantiert das volle Orakel-Debakel vorgesehen.

    Nach Crocodylus Village führte eine kleine Abzweigung von der Piste. Pfahlbauhütten duckten sich unter den Baumriesen, getrennt von undurchsichtig wucherndem Gestrüpp, verbunden nur durch schmale, verschlungene Pfade. Während Miriam und Beth eine Hütte buchten, schulterte Ralf seinen Rucksack und suchte Jean-Pauls Dschungelrestaurant.
    Er musste nicht weit gehen. Gleich hinter dem Verwaltungsgebäude war ein Zeltdach malerisch über Holzbänke gespannt, weiter hinten entdeckte Ralf eine Art Garage mit Essensausgabe. Bisschen schwach für ein Restaurant, fand er, aber nun ja.
    Er blickte durch das Ausgabefenster und sah einen jungen Mann Kürbis schneiden. Der hatte ihn ebenfalls bemerkt und fragte: »Service oder Küchenhilfe?«
    »Was?«
    »Wenn du Service machst, komm am besten in einer halben Stunde wieder. Bist du Küchenhilfe, kannst du das gleich anziehen.« Er hielt Ralf eine weiße Schürze hin.
    »Ich wollte eigentlich weder noch. Ich heiße Ralf und suche Jean-Paul.«
    »Das bin ich. Du bist nicht eingeteilt?«
    Beth kam angehüpft und steckte ihren Kopf durch die Ausgabe. »Ich bin eingeteilt.«
    »Gut«, sagte Jean-Paul. »Ralf, du kannst ja Service machen, es gibt dafür Abendessen umsonst. Aber frag im Büro nach, vielleicht haben sie schon jemand anderen.«
    Ralf war verdutzt. Eigentlich wollte er ein Abendessen, ohne dafür zu arbeiten.

    Miriam fand, Ralf sollte auf das Angebot eingehen und Essen austeilen, schließlich wollte sie den besten Service im Dschungel. Sie hatte die Anmeldung übernommen und drei Plätze in der Hütte

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