Bis ans Ende der Welt
Blätter und Insekten mit einem Netz aus dem Pool. Er grüßte und fragte: »Habt ihr heute schon was vor?«
Ralf zuckte mit den Achseln. »Weiß nicht. Warum?«
»Wir könnten einen Ausflug zu Cap Trib machen.«
»Cap Trib?«
»Cap Tribulation. Captain Cook hat es so getauft, weil er in Schwierigkeiten kam, als er das Kap umsegelt hatte. Ist schön da.«
»Gern. Ich frag mal Miriam.«
»Und Beth?«
Ralf grinste. »Und Beth.«
»Wir müssen mindestens fünf Leute sein, sonst fährt der Bus nicht.«
Ralf versprach, beim Frühstück die Werbetrommel zu rühren.
Jean-Paul hatte nicht zu viel versprochen: Die Landzunge des Kaps umschloss eine kleine Bucht mit kristallklarem Wasser, das ihnen türkis entgegenleuchtete. Von den Bäumen fielen Schatten auf den Sandstreifen zwischen Regenwald und Meer. Hier war es, das abgeschiedene Paradies, von dem Ralf geträumt hatte.
»Ich kann nicht glauben, dass Cooks Schwierigkeiten hier begonnen haben«, sagte Ralf zu Jean-Paul, während sie sich die Schuhe auszogen und die Füße ins Wasser hielten, »hier ist es doch perfekt.«
»Vielleicht gerade weil es ab hier nicht mehr schöner wird.« Jean-Paul spritzte sich Wasser auf die Stirn und in den Nacken. »Alles Schöne kommt in Wellen, bevor es wieder bergauf geht, musst du erst durch die Talsohle.«
Ralf ahnte, dass auch auf ihn Schwierigkeiten zukommen könnten, also genoss er die Welle, solange er oben schwamm. Er fing ein riesiges Heupferdchen, um Miriam zu erschrecken, sie stopfte ihm Sand in die Badehose. Nach dem Schwimmen blieben sie am Ufer liegen und ließen die Wellen um ihre Körper plätschern. Ihr tätowierter Platypus auf dem Schulterblatt grinste ihn an. Ralf spielte ein bisschen damit - zog ihn in die Länge und in die Breite, verpasste ihm einen Kuss, fing eine Unterhaltung an, die endete, als Miriam sich umdrehte und selbst einen Kuss wollte. Ralf schnupperte an ihrem dunklen Haar; es roch nach Meer, Sand und Blütenstaub, wie das wilde, echte Leben.
Als Ralf einen Moment allein war, kam Beth vorbei und sagte: »Ihr zwei seid echt süß - ihr solltet euch mal sehen.«
»Wirklich?« Ralf wurde verlegen.
»Das mit der anderen Freundin hat sich erledigt, oder?«
Jean-Paul zerrte Beth ins Wasser. Ralf war ihm dankbar, weil er nicht wusste, was er hätte antworten sollen. Er liebte Miriam. Aber was war mit Kristine: Konnte er sie so einfach abhaken? Er hoffte, der Nächste-Woche-Ralf, der sie vielleicht wiedertreffen würde, wäre tatsächlich jemand anders.
21.
Die Schwierigkeiten nach dem Kap kamen unerwartet schnell: Beim Einsteigen in den Bus schnitt sich Miriam an der rostigen Schiebetür den Fuß auf. Die Wunde musste im Camp behandelt werden. Und als Ralf auf der Rückfahrt seine Schulden bei ihr bezahlte, stellte er fest, dass nach der Woche in Crocodylus fast die Hälfte des Frischgeldes verbraucht sein würde. Aber der Fuß würde heilen und er sich wie gestern sein Abendessen als Kellner verdienen. Schicksalsschläge durfte es jetzt nicht geben, denn Ralf hatte eine Auszeit genommen. Eine Woche - war ja wohl nicht zu viel verlangt.
In Crocodylus bekam Miriam einen Verband sowie die Auflage, den Fuß hoch zu lagern. Ralf versprach, ihr ein Essen mitzubringen und, Ehrensache, vorher selbst nichts anzurühren. Er drückte ihr das Horoskopbuch in die Hand und trat seinen Dienst bei Jean-Paul an.
Ein Schwung Neuankömmlinge aus Cairns brachte Stress. Jean-Paul füllte die Teller im Akkord, Ralf kam mit dem Verteilen kaum hinterher. Eine Gabel fiel vom Teller, er hob sie auf und brachte im Eiltempo eine andere, dann zweimal Steak für den Tisch der Neuen.
Ein Mädchen am Tisch der Neuankömmlinge sah von hinten aus wie Kristine. Kein Grund zur Panik, hundert Mal schon hatte er sie in anderen Frauen gesehen, seit er in Australien war, und stets hatte er sich getäuscht. Diesmal allerdings war die Ähnlichkeit verblüffend... Als Ralf näher kam, fiel ihm wieder die Gabel vom Teller, doch diesmal ließ er sie liegen - das Mädchen war Kristine.
Sie war noch schöner als in seiner Erinnerung: Die langen blonden Haare fingen letzte Strahlen des Abendlichts, die hellen blauen Augen leuchteten aus ihrem gebräunten Gesicht. Irgendwas hatte sie gefragt, Ralf hatte es kaum mitbekommen - da sprang sie auf und umarmte ihn. Sein Arm war gerade lang genug, um einen Steakteller auf den Tisch zu stellen, jemand stand auf, um den anderen entgegenzunehmen - es war Helge.
Als Kristine seine Hände nahm,
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