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Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Riehl
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erkannt und machte keine Anstalten, davonzulaufen. Er hob zur Begrüßung sogar lässig die Hand und fragte:
    »Na, wie geht’s dem Fernrohr?«
    Mit so viel Unverschämtheit hatte Ralf nicht gerechnet.
    »Ist gestohlen worden«, sagte er nur.
    »Geklaut?« Der Typ tat, als ob er sich verhört hätte. »Wer klaut denn so ein Riesending?«
    »Weiß ich nicht. Jedenfalls nicht so genau.« Ralf bemühte sich vergeblich, einen gefährlichen Unterton in seine Stimme zu legen, die Psychomasche hatte bei der Lautstärke keine Chance. »Du bist der Letzte, der das Fernrohr gesehen hat.«
    So laut die Musik war, unter den roten Haaren hörte man es »klick« machen.
    »Was? Also, ich hab’s nicht mitgenommen, das kannst du mir glauben.«
    »Warum bist du dann so schnell abgereist?«
    »Was heißt hier schnell? Es war mein letzter Tag in Brisbane. Woher sollte ich wissen, dass das Ding geklaut wird?« Er überlegte kurz. »Außerdem war da noch der Mechaniker.«
    »Der Mechaniker?«
    »Ja, der Typ, der die Klimaanlage repariert hat. Er hat mich gefragt, ob er mal durchsehen kann, und ich hab gesagt, ist nicht meins, aber von mir aus. Dann haben wir es aufgestellt und ein bisschen herumgeschaut.«
    »Und dann?«
    »Dann kam die Tusse vom Empfang rein und hat gefragt, was wir da machen. Sie hat das Ding nicht richtig gesehen, wir standen ja davor.«
    Er machte eine Pause.
    »Und?«, drängte Ralf.
    »Hm - der Mechaniker hat gesagt, das Teil gehöre zu seinem Werkzeug. Ja, ich glaube, er sagte: ›Das ist meine Belüftungspumpe. ‹ Also, ich musste dann jedenfalls Gas geben, sonst hätte ich meinen Bus verpasst. Mehr kann ich dir nicht sagen.«
    Pumpe? Die junge Frau am Empfang hatte irgendwas von einer Pumpe gesagt. Ralf kramte in seinen Taschen und fand die Telefonnummer des Brisbaner Backpackers. Er musste unbedingt da anrufen. Sofort.
    »Hör mal, ich bin nur die Nachtschicht«, sagte eine Männerstimme am Telefon, »ich weiß nichts von einer Pumpe. Und wenn das eine Woche her ist, kannst du es sowieso vergessen. Wie soll die Frau geheißen haben?«
    »Weiß ich nicht«, musste Ralf kleinlaut zugeben. »Die Pumpe ist in Wirklichkeit ein Fernrohr...«
    »Fernrohr?« Er lachte hysterisch. »Ruf mal tagsüber an, okay?«
    Der Typ hatte aufgelegt. Scheiße.

    In der Diskothek wurde der Sumo-Wettbewerb vorbereitet: Matten ausgelegt, ein überdimensionaler Gong daneben gestellt. Von dem Rothaarigen war weit und breit nichts zu sehen. Sah ganz so aus, als ob er getürmt wäre.
    Kristine stellte Ralf dem Pärchen vor, mit dem sie sich die ganze Zeit unterhalten hatte.
    »Hi, ich bin John«, begrüßte ihn der junge Mann, »das ist meine Freundin Pam, oder soll ich Braut sagen? Wir sind aus Neuseeland.« Er sah sie an, sie kicherte.
    Während sie zuschauten, wie die ersten beiden jungen Männer in kunstvoll um den Unterleib geschlungenen Handtüchern versuchten, sich gegenseitig aus dem Kreis zu schubsen, fragte John Kristine, ob sie auch mal heiraten wolle.
    »Wen, Ralf?« Sie lachte. »Na, ich glaube, damit warten wir noch.«

    Wieder dauerte es ewig, bis Ralf einschlief. Im Traum wankte er entlang einer Hängebrücke über eine Schlucht, Kristines Fernrohr fest umklammert. Die Brücke schwankte, Ralf verlor erst den Halt und dann das Fernrohr. Er sprang hinterher, im Vertrauen auf das Bungeeseil, das an seinen Fußgelenken befestigt war. Aber das Fernrohr war ihm immer ein Stück voraus, und als er es endlich hatte, bremste das Seil nicht. Er schlug auf dem Boden auf und erwachte.
    Es war früher Morgen, er ging zum Rasieren ins Bad. Oh Gott, hoffentlich konnte er während Kristines Selbstmordaktion im Auto warten.
    Als er die Rasur im Spiegel überprüfte, fiel ihm ein, wie Miriam auf der Brücke seine Hand gehalten hatte. Ralf lächelte - Mann, wie er vergessen hatte, wieder loszulassen - und da entdeckte er etwas in seinem Spiegelbild: Grübchen. Er versuchte noch ein Lächeln, aber Grübchen gelangen ihm nicht. Vielleicht musste er an Miriam denken? Er erinnerte sich, wie sie ihn in Melbourne beim Baden untergetaucht hatte und - tatsächlich, da waren wieder Grübchen um die Mundwinkel. Von diesem Fund gestärkt, erschien Ralf die Aussicht auf Kristines Bungeesprung halb so wild.

24.
    Die Bungee-Brücke war ein ganzes Stück im Landesinneren. Das Wetter würde wahrscheinlich halten, hatte ihnen die Frau am Schalter der Autovermietung erklärt, aber genau wisse man das natürlich nie, in Cairns könne man vier

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