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Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Riehl
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in den Kopf gesetzt. Ein Tauchlehrer, der ständig was mit seinen Schülerinnen hat! Jeder muss seine eigenen Erfahrungen machen. Und wenn’s schief läuft, muss man eben was ändern. Aber nimm dein Leben selbst in die Hand, sonst ist es nichts wert.« Sie sah ihm ins Gesicht. »Also, willst du noch einen Rat von mir?«
    »Das war er doch schon, oder?«
    »Da hast du verdammt Recht. Wie heißt du?«
    »Ralf.«
    »Ich bin Helen. War nett, dich kennen gelernt zu haben, Ralf.«
    Sie schüttelte seine Hand und schenkte ihm zum Abschied ein Lächeln, das ein bisschen schräg aussah mit den fehlenden Zähnen. Ralf dachte an das Migräne-Gedicht: Helen war eine Art Muräne in ihrem höhlenartigen Kiosk, aber trotz der fehlenden Zähne keine Vegetarierin geworden.

    »Kristine?«
    »Ja?«
    »Stell dir mal vor, du gehst durch einen Wald. Wie sieht der Wald aus?«
    »Schön. Die Sonne scheint durch die Baumkronen, es ist ein bisschen windig.«
    »Du gehst auf einem Weg. Ist er breit oder schmal, gerade oder verschlungen?«
    »Was soll das?«
    »Es ist ein Test. Beschreib einfach den Weg, wie er aussieht.«
    »Nur, wenn du mir hinterher die Auflösung sagst.«
    »Klar.«
    »Es ist eigentlich kein Weg, eher eine Allee. Links und rechts sind junge Birken, der Wald beginnt erst später.«
    »Bleibst du auf dem Weg?«
    »Ja.«
    »Du findest eine Tasse. Wie sieht die aus?«
    »Normal. Weiß.«
    »Kaputt?«
    »Nein, ganz normal.«
    »Nimmst du sie mit?«
    »Was soll ich mit der Tasse?«
    »Also nicht?«
    »Nein. Hör mal, was weiß ich, wessen Tasse das war.«
    »Okay, gut. Weiter vorn siehst du einen Bären. Was machst du?«
    »Ein Bär? Ist der Test nicht ein bisschen albern?«
    »Der Bär ist ja nur ein Symbol.«
    »Wofür, für Gefahr? Dann geh ich vorsichtig an ihm vorbei, oder ich hol mir vielleicht einen Ast, um ihn auf Distanz zu halten. Zufrieden?«
    Ralf zuckte mit den Achseln. »Du kommst zu einer Hütte. Beschreib mal.«
    »Eine Jagdhütte, die der Segelclub für eine Vereinsfeier gemietet hat. Es gibt Spanferkel und Bier vom Fass. Über der Tür hängt ein Hirschgeweih oder so was.«
    »Kannst du durchs Fenster sehen?«
    »Könnte ich schon. Ich bleibe aber draußen, da ist mehr los. Der Vorstand hat mich auf ein Bier und eine Portion Fleisch eingeladen. Nach dem Essen gehe ich weiter.«
    »Du kommst an einen See. Wie ist das Wasser?«
    »Sieht ziemlich klar aus, so von weitem. Ob’s tief ist, weiß ich nicht, ist mir auch egal, ich will sowieso nicht schwimmen.«
    Ralf staunte. »Warum nicht?« »Es ist ein bisschen frisch, ich habe nichts dabei - einfach keine Lust.«
    »Aha.« In seiner Verwunderung hatte Ralf Schwierigkeiten, sich an die letzte Frage zu erinnern. Dann fiel sie ihm wieder ein: »Du kommst an eine Mauer. Kannst du sehen, was auf der anderen Seite ist?«
    »Ein Friedhof.«
    »Ein Friedhof? Hast du den Test schon mal gemacht?«
    »Nein. Wieso, waren meine Antworten richtig?«
    Kristine fand die Auflösung nicht sonderlich schlüssig, vor allem wollte ihr nicht eingehen, warum der See Sex sein sollte. Sex sei Sex, nicht irgendein See. Dann sprach sie wieder über ihren Bungee-Sprung, Ralf hörte nicht mehr hin.

    In Cairns suchte Kristine einen Parkplatz.
    »Da, unter dem Baum.«
    Ralf hatte einen Musterparkplatz entdeckt, in vollem Schatten, groß genug für fünf Autos und nur eins stand da. Kristine parkte ein. Der Wagen neben ihnen schien eine merkwürdige Graffiti-Lackierung zu haben - sogar an den Fenstern. Erst nach dem Aussteigen stellte Ralf fest, dass es Vogeldreck war, eine vollkommene graue Kruste. Wie viel Jahre das Auto wohl schon unter dem riesigen Mangobaum stand?
    Ein Flugfuchs erhob sich aus den Ästen und machte sich mit schweren behäbigen Flügelschlägen davon.
    Sie flanierten eine Weile in der Abendsonne an der Promenade entlang. Ralf ließ seinen Blick über die Menschen wandern: Australier mit Sonnenhüten, junge Europäer ohne Rucksack, Japaner mit und ohne Fototaschen. Nach ein paar Minuten wurde ihm klar, dass er Miriam suchte. Blödsinnig: Es war aus, er war wieder mit Kristine zusammen. Wegen ihr war er hergekommen und mit ihr würde er Australien wieder verlassen. Abgesehen davon, selbst wenn Kristine tot umfiele, Miriam würde ihn kaum mit offenen Armen empfangen, nach allem, was er sich geleistet hatte. Er vermisste sie schrecklich. Kristine hatte er auch vermisst, aber das jetzt war schlimmer.
    Sie kamen am Food Court vorbei. Ralf hatte immer noch keinen Hunger, aber

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