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Bis ans Ende des Horizonts

Bis ans Ende des Horizonts

Titel: Bis ans Ende des Horizonts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Sayer
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und Aubrey begann im Untergeschoss des Gebäudes auch als Tierpräparator zu arbeiten, um sich noch etwas dazuzuverdienen. Ihr Zuhause war außerdem eine Zuflucht für »Claras Streuner«, wie Aubrey sie getauft hatte. Im Augenblick zählten dazu Mr Bones, ein schon reichlich angejahrter Bauchredner, der ungefähr drei Jahre zuvor einmal zum Essen eingeladen worden war und das Haus danach nicht mehr verlassen hatte. Er übernachtete mit seiner Puppe mittlerweile im Dachgeschoss und half Clara oft beim Putzen und auch sonst im Haushalt. Der andere »Streuner« war Mikey Michaels, ein ungefähr vier Jahre alter Junge, der Sohn einer verwitweten Nachbarin, die nachts in einer Fabrik arbeitete, um den Lebensunterhalt für sie beide zu bestreiten. Mikey verbrachte tagsüber die meiste Zeit in der Küche der Willis und schlief in einer Art Hängematte im Wohnzimmer.
    Das viktorianische Haus glich einer Mischung aus Museum und Andenkenladen, denn es war vollgestopft mit alten Möbeln, Nippes und Mitbringseln aus beinahe jedem Ort im Outback oder im Ausland, wo Clara und Aubrey jemals aufgetreten waren: Orientteppiche, ein Esszimmertisch aus Zedernholz, überdimensionierte Plüschsessel, düstere Ölgemälde und ein Klavier aus Walnussholz. Der repräsentativste Raum, das zur Straße hin gelegene Wohnzimmer, prunkte mit einer ausladenden Kamineinfassung aus Marmor und farbigen Bleiglasfenstern. Da sie leidenschaftlich gern Karten spielte, hatte Clara in einer Ecke auch einen Bridgetisch platziert. Und selbstverständlich fanden sich überall ausgestopfte Tiere, da Aubrey dieses geradezu obsessive Hobby schließlich auch zu seinem zweiten Beruf gemacht hatte: Ein mannshohes Emu bewachte wie ein skurriler befiederter Hotelboy die große Diele, ein Exemplar des auch als »Lachender Hans« bekannten Kookaburra, einer Eisvogelart, hing an einer Angelschnur mit ausgebreiteten Flügeln und einer Spannweite von über dreißig Zentimetern über dem Klavier, und in einer Ecke kauerte ein Tasmanischer Tiger, einer jener praktisch ausgestorbenen Beutelwölfe, mit großen Glasaugen, der seine scharfen weißen Zähne fletschte.
    Als sie endlich im Bett lag, konnte Pearl trotz der späten Stunde nur schwer einschlafen. War die Verabredung mit James womöglich doch ein Fehler? Er war ein toller Musiker und sicherlich ein freundlicher Mensch – aber vielleicht waren es genau diese beiden Gründe, weswegen sie verwirrt war. Warum legte er so viel Wert darauf, ausgerechnet mit ihr auszugehen? Sie sah doch fast wie eine Vogelscheuche aus mit ihrem Haarknoten, der wie ein durchnässtes Nest wirkte, und außerdem war es ihr nicht einmal gelungen, auch nur den ersten Refrain von Bugle Call Rag sauber zu spielen. Eine junge Frau, die selbst mit einer Zigarette nicht richtig umgehen konnte. Vielleicht war er einsam, überlegte sie. Bei dem Gedanken daran, wie er sie auf die Stirn geküsst hatte, kribbelte ihre Kopfhaut erneut. Nächste Woche war ihr achtzehnter Geburtstag, und sie war noch nie von einem Mann richtig auf die Lippen geküsst worden – jedenfalls nicht, wenn man den indischen Steward außer Acht ließ, der ihr auf einem Ozeandampfer einmal seine Zunge in den Mund gesteckt hatte, als sie elf Jahre alt war. Allmählich dämmerte sie in den Schlaf hinüber und war endlich doch entschlossen, sich mit dem Gefreiten James Washington zu treffen, obwohl sie ihn kaum kannte.
    Als die Zwillinge am nächsten Morgen zum Frühstück in der Küche erschienen, war ihre Mutter Clara gerade damit beschäftigt, Erbsen in eine Schüssel zu schälen. Mr Bones lag zusammengerollt und schnarchend auf einer Chaiselongue im Wohnzimmer, und Mikey kniete neben ihm und streichelte die glänzenden Stiefel des alten Mannes.
    »Wo zum Teufel habt ihr beiden euch denn letzte Nacht herumgetrieben?«, fragte Clara, ohne dabei von der Schüssel aufzusehen.
    Pearl und Martin mussten sich nur einen Augenblick über den Küchentisch hinweg ansehen; stillschweigend war klar, dass sie besser nicht die Wahrheit berichteten. Clara machte nie einen Hehl daraus, dass sie es keineswegs billigte, wenn die Tochter des Hauses mit ihrem Bruder »in der Stadt herumstrawanzte«, wie sie es ausdrückte. Das gehörte sich in ihren Augen nicht für ein Mädchen in Pearls Alter. Ihre eigene Mutter Lulu hatte sie stets zu allen Auftritten und auch auf Tourneen begleitet, die sie als Jugendliche absolviert hatte. Jedenfalls so lange, bis sie mit Aubrey offiziell verlobt war und einen

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