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Bis ans Ende des Horizonts

Bis ans Ende des Horizonts

Titel: Bis ans Ende des Horizonts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Sayer
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goldenen Ring am Finger trug.
    »Pearl war noch drüben bei Nora«, sagte Martin in ganz selbstverständlichem Ton. Nora Barnes, eine Schlagzeugerin in der Damenkapelle des Trocadero, war Pearls Freundin und wohnte nicht weit weg im Stadtteil Darlinghurst.
    »Martin hat einem schwarzen Soldaten noch ein bisschen die Gegend rund um Kings Cross gezeigt«, erklärte Pearl.
    Clara runzelte die Stirn und bedachte die beiden mit einem skeptischen Blick. Sie war eine untersetzte Frau Anfang fünfzig, deren fleischiges Gesicht von kurzen rostroten Locken umrahmt wurde. »Und warum habe ich euch beide dann gemeinsam nach Hause zurückkommen hören?«
    Pearl und Martin tauschten einen komplizenhaften Blick. »Der Soldat und ich haben Pearl bei Nora abgeholt«, erklärte Martin, »damit ich sie nach Hause begleiten konnte.«
    Clara drehte ihnen den Rücken zu, um den Eisschrank zu öffnen, und Martin zwinkerte seiner Schwester zu.
    »Bei der Gelegenheit hat Nora den schwarzen Soldat kennengelernt«, fügte Pearl hinzu, »und die beiden verstanden sich auf Anhieb ganz prächtig.« Sie spähte ins Wohnzimmer und konnte sehen, wie Mikey die Schnürsenkel von Mr Bones’ Schuhen miteinander verknotete.
    Martin schlürfte einen Schluck von seinem Tee. »Sie haben sich sogar schon für heute Abend verabredet.«
    Pearl zog eine Schnute in Martins Richtung. »Übrigens haben sie uns gleich gefragt, ob wir nicht mit ihnen mitkommen wollen.«
    Mr Bones bewegte seine Glieder und rieb sich die Augen.
    Clara nahm die Butter aus dem Eisschrank und stellte sie auf den Tisch. »Warum wollen sie denn euch beide bei ihrem Rendezvous dabeihaben?«
    »Der Soldat spielt gerne Bridge«, fuhr Martin fort, woraufhin Pearl einen Lachanfall unterdrücken musste. »Wir haben verabredet, Paarturnier zu spielen.«
    In diesem Augenblick erhob sich Mr Bones von seinem Nickerchen. Mikey machte sich rasch aus dem Staub, und nach dem ersten kleinen Schritt stolperte der Bauchredner auch schon und fiel auf den Boden. Clara eilte ihm zu Hilfe. Bis sie Mikey ausgeschimpft, Mr Bones wieder auf die Beine geholfen und ihm einen heißen Grog zubereitet hatte, um seine Nerven zu beruhigen, war die Mär, die ihr die Zwillinge aufgetischt hatten, längst vergessen.
    Pearl war es nach wie vor peinlich, wenn sie daran dachte, wie schlecht sie am Abend zuvor im Booker T. Washington Club gespielt hatte. Deshalb verbrachte sie den ganzen Nachmittag in ihrem Zimmer und übte immer und immer wieder Bugle Call Rag . Später kam Martin hinzu, und sie spielten ein paar Duette gemeinsam. Irgendwann merkten sie, dass die Dämmerung eingesetzt hatte, es schon nach sechs Uhr war und sie sich beide sputen mussten.
    Minuten später verließen sie zusammen das Haus. Sobald sie außer Sichtweite ihrer Mutter waren, trennten sich ihre Wege. Martin rannte die Victoria Street hinauf, um Roma an der Straßenbahnhaltestelle William Street zu treffen. Pearl sprang die Treppenanlage hinunter, die von Potts Point zu den Hafenslums im Stadtteil Woolloomooloo führte, und eilte quer durch den Botanischen Garten zum Circular Quay. Doch als sie das Parktor am westlichen Ende der Anlage erreichte, war es bereits geschlossen. Die schmalen schmiedeeisernen Gitterstangen des Tores waren am oberen Ende wie Speerspitzen geformt und dementsprechend scharf. Vor lauter Verzweiflung blieb Pearl nichts anderes übrig, als an ihnen hochzuklettern. Oben fand sie mit einem Fuß Halt auf einer Querstrebe und schwang ein Bein auf die andere Seite. Ihr Kleid verfing sich in einer der Eisenspitzen, und der Rocksaum riss auf. Als sie hart auf dem Boden auf der anderen Seite aufkam, durchfuhr sie ein schmerzhafter Stich. Auf ihrem Schienbein war die Haut l-förmig eingeritzt, und die Wunde blutete und war mit Dreck verschmiert.
    So erreichte sie Kai fünf erst mit reichlich Verspätung. Die einzigen Menschen weit und breit waren ein Mann, der mit einem dürren, reichlich zerrupft wirkenden Kakadu an einer Leine auf der Erde saß und auf den Hafen hinausblickte, eine alte Frau, die Brotkrumen an eine kreischende Schar Möwen verfütterte, und ein verkniffen wirkender Junge, der sich verbissen an eine Angel klammerte, deren Leine über die Kaimauer ins Wasser hing. Pearl wartete fünf Minuten, dann noch mal zehn. Der Frau waren die Brotreste ausgegangen, und die Möwen flogen fort. Der Junge zog seine Angelleine ein und gab auf. Der Mann auf der Erde fing an, sich murmelnd mit seinem Kakadu zu unterhalten, der an seinem

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