Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis ans Ende des Horizonts

Bis ans Ende des Horizonts

Titel: Bis ans Ende des Horizonts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Sayer
Vom Netzwerk:
über sich selbst, dass er sich von dem Pygmäen mit dem Rauschmittel hatte übertölpeln lassen und jede Vorsicht und Wachsamkeit aufgegeben hatte. Nun stieg er auf dem steilen Pfad mit grimmiger Entschlossenheit voran. Der Nebel wurde so dicht, dass sie auf einem ziemlich begrenzten Terrain stundenlang umherirrten. Am Nachmittag gestand Wanipe ein, dass er nicht mehr weiterwusste. Jetzt suchten sie die Gegend nach dem Pfad zum Berggipfel ab, den sie irgendwann aus den Augen verloren hatten.
    Endlich brach die Sonne durch, und die Luft wurde etwas klarer. Bald hatten sie auch den engen Pfad wiedergefunden, der sich zwischen den Bäumen hindurch bergauf schlängelte. Nach ungefähr einer Stunde entdeckten sie ein paar kegelförmige Strohdächer. Sie gehörten zu einer Ansammlung von elf oder zwölf Hütten auf einer Hochebene. Den Mittelpunkt bildete ein mit Palmzweigen gedecktes Langhaus. Das winzige Dorf war von Gemüsegärten umgeben, an deren Rand buttergelbe Blumen wuchsen. Auf dem Pfad kamen ihnen zwei Kinder entgegen, die einen jungen Kasuar vor sich herjagten, einen krallenbewehrten Laufvogel. Kurz bevor sie Wanipe über den Weg liefen, hatten sie sich den fliehenden Vogel geschnappt, doch als sie sich auf ihn stürzten, purzelten sie selbst über den Boden. Beim Aufstehen erblickten sie auch Pearl und Charlie. Der Größere der beiden erstarrte und stieß einen Schreckensschrei aus, als hätte er ein Ungeheuer gesehen. Unvermittelt ließen sie den Kasuar wieder los und rannten zurück ins Dorf. Dabei schrien sie immer und immer wieder dasselbe Wort in ihrer Eingeborenensprache.
    Wanipe war angesichts dieser Reaktion ebenso verwirrt wie Pearl und Charlie. Schlagartig kamen allen dreien Bedenken, ob sie weitergehen sollten. Sie erinnerten sich, dass Sergeant Thomas davon gesprochen hatte, es gäbe in diesem Teil des Landes noch immer Kannibalen, und zudem ging das Gerücht um, dass sie eher zu den Japanern hielten und sich mit ihnen gegen alle weißen Eindringlinge verbündet hätten. Doch es blieb ihnen kaum Zeit, sich darüber weitere Gedanken zu machen, was sie als Nächstes tun sollten, denn aus dem Dorf strömte ihnen bereits ein ganzer Trupp nackter Eingeborener entgegen. Pearl wurde von Entsetzen gepackt angesichts dieser Überzahl, schließlich waren sie ja nur zwei Weiße.
    Wanipe hingegen bemerkte sogleich, dass die Dorfbewohner keine Beile oder Speere bei sich trugen. Er wies Pearl und Charlie an, einfach stehen zu bleiben und sich nicht zu bewegen. Plötzlich waren sie von ungefähr fünfzig Leuten umringt, die sich gegenseitig schubsten und anrempelten, weil jeder näher heranwollte, um besser sehen zu können. Gleichzeitig schrien sie sehr erregt mit ihren schrillen Stimmen ständig durcheinander. Zwei vergleichsweise große Männer traten vor, strichen Pearl über das Gesicht und rieben an Charlies Hals; dann betrachteten sie ihre eigenen Handflächen, als ob sie dachten, dort etwas sehen zu können, was vorher nicht da war. Sie versuchten es noch einmal und flüsterten anschließend miteinander. Wanipe erklärte Pearl und Charlie in seinem stockenden Kauderwelsch, dass sie das, was sie für weiße Farbe hielten, abreiben wollten.
    Nachdem sie sich vergewissert hatten, dass auf ihren Fingern keine weiße Farbe erscheinen würde, verstummte schlagartig das allgemeine Geschnatter, und sie traten mit weit aufgerissenen Augen geradezu ehrfurchtsvoll zurück. Pearl konnte es gar nicht glauben, dass diese Dorfbewohner noch nie einen weißhäutigen Menschen gesehen haben sollten, doch Wanipe versicherte ihr, dass es so war. Und als die beiden größeren Männer noch einmal herantraten und einige Haare von Pearls und Charlies Kopf abzupften, erklärte Wanipe, dass die Eingeborenen die beiden womöglich für Geister hielten oder vielleicht sogar für Gottheiten, die vom Himmel herabgestiegen waren.
    Was auch immer Pearl und Charlie in den Augen der Dorfbewohner darstellten, sie hielten sie zweifellos für übernatürliche, göttliche Erscheinungen. Frauen und Kinder drängten näher an sie heran, um ihre Hände zu berühren, und die Männer zupften ihnen weiterhin Haare von Kopf und Armen. Obwohl Wanipe genauso dunkelhäutig war wie diese Eingeborenen, betrachten sie ihn offensichtlich ebenfalls mit sehr viel Ehrfurcht und Respekt, da er in ihren Augen vielleicht als eine Art Mittler zwischen ihrer Welt und der der Geister und Götter fungierte. Sie versuchten sich mit ihm zu verständigen, doch sie

Weitere Kostenlose Bücher