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Bis ans Ende des Horizonts

Bis ans Ende des Horizonts

Titel: Bis ans Ende des Horizonts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Sayer
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und seine Hände zu zittern begannen.
    »Gütiger Gott«, murmelte er und starrte ungläubig auf das Telegramm. »Sie schicken mich nach Neuguinea.«

11
    Martin lag mit undurchdringlicher Miene auf seinem Bett.
    Pearl war rasch in den Keller hinuntergegangen, um frisches Bier zu holen, und schenkte ihm ein Glas ein. »Vielleicht ist es gar nicht so schlimm, wie du denkst«, sagte sie.
    »George Franklin, der weiter hinten in unserer Straße gewohnt hat, ist in Wau erschossen worden«, erwiderte ihr Bruder in bitterem Tonfall. »Die beiden Weaver-Brüder sind dort von Granaten getroffen worden.«
    »Aber ihr sollt dort doch bloß in Feldlagern und Lazaretten eure Konzerte und Vorstellungen geben.«
    »Sehr beruhigend«, meinte Martin. »Diese Feldlager sind allerdings ganz dicht hinter der Front. Ich habe mal einen Typ in Brisbane getroffen, auch ein Musiker, dessen Klavier bei einem Luftangriff in Buna kurz vor Beginn der Vorstellung explodierte. Er konnte froh sein, dass ihm noch drei Finger übrig geblieben sind.«
    »General MacArthur geht davon aus, dass es keine großen Auseinandersetzungen mehr geben wird. Nach der Schlacht um den Kokoda-Pfad und nachdem die japanische Invasion am Südostzipfel von Neuguinea bei Milne Bay zurückgeschlagen worden ist« – sie trank einen großen Schluck direkt aus der Flasche –, »ziehen sich die Japaner wieder Richtung Norden zurück.«
    Martin hielt sein Glas so fest mit der Hand umschlossen, dass die Knöchel weiß wurden und Pearl fürchtete, es könnte gleich zerspringen. »Ich könnte niemanden umbringen«, murmelte er und starrte in sein Glas. »Nicht einmal mich selbst.«
    »Stell doch einen Antrag auf eine Versetzung«, schlug sie vor. »Zu irgendeiner Tournee in Australien.«
    Martin schnaubte und fuhr mit dem Finger über den feuchten Glasrand. »Ich konnte bereits froh sein, dass sie mir den Urlaub genehmigt haben, als Lulu ins Krankenhaus musste.«
    Das Klappern von Tellern drang aus der Küche zu ihnen herauf; Lulu deckte gerade den Tisch für das Abendessen.
    »Aber du kommst doch noch mit, um dir Artie anzuhören, oder?«
    Er leerte sein Glas in einem Zug.
    »Na, komm schon«, sagte sie, »wir sollten es wenigstens versuchen.«
    Martin stellte das Glas auf dem Nachttisch ab. »Dich lassen sie auf keinen Fall hinein, Pearl. Vergiss es einfach.« Anschließend drehte er sich auf die Seite und zog die Bettdecke über seinen Kopf.
    »Auch wenn du nicht hingehen willst, dann solltest du wenigstens mir helfen hineinzukommen.« Sie griff nach der Bettdecke und zog sie von ihm herunter. »Nun raff dich schon auf, Mart. Sei kein Feigling.«
    Als das nichts bewirkte, senkte sie die Stimme. »Vergangene Woche hast du James getroffen und mir kein Sterbenswörtchen davon gesagt. Na los jetzt. Du schuldest mir noch was.«
    Pearl lehnte sich gegen den Tisch und verschränkte die Arme.
    Martin stöhnte auf und boxte in sein Kissen. Daraufhin kroch er aus dem Bett, öffnete seinen Kleiderschrank und holte eine Uniformhose heraus. Pearl schlüpfte aus ihrem Kleid und zog die Hose an. Die Länge der Beine war in Ordnung, aber der Bund war viel zu weit, die Hose rutschte ihr beinahe von den Hüften. Sie musste den Gürtel im allerletzten Loch festmachen, dann reichte Martin ihr ein Khakihemd. Sie ging ins Badezimmer, zog Bluse und Büstenhalter aus und wickelte sich als Erstes eine Mullbinde um die Brust, welche die beiden Brüste andrückte, bis sie fast flach waren. Danach zog sie das Hemd an und knöpfte es zu. Die Gamaschen und die Stiefel waren fast ihre Größe, vor allem, wenn sie die Stiefel fest zuband. Zum Schluss setzte sie sich seinen Hut auf und betrachtete sich im Spiegel. Sie erblickte einen großen schlanken Soldaten mit langen Haaren und etwas unsicherer Haltung.
    »Irgendwas muss noch mit deinen Haaren passieren«, meinte Martin. »Ich frage mich trotzdem, warum du diese Verkleidungsnummer veranstaltest. Du schaffst es nie da rein.«
    Pearl fasste ihr Haar straff zusammen und steckte es eng an der Kopfhaut zusammen. Dann stülpte sie sich wieder den Hut über, sodass von ihren blonden Locken nichts mehr zu sehen war. Diese Verwandlung gefiel ihr sehr, und sie paradierte wie ein Soldat im Zimmer auf und ab, schwang die Arme dazu und salutierte.
    »Das wirkt eher wie eine Karikatur«, bemerkte Martin kritisch. »Echte Männer stolzieren nicht so übertrieben herum.« Stattdessen führte er ihr seinen lässigen, leicht schwankenden Gang vor. Er zeigte ihr auch,

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