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Bis ans Ende des Horizonts

Bis ans Ende des Horizonts

Titel: Bis ans Ende des Horizonts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Sayer
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zurück. »Wir wollten uns nur ein bisschen die Zeit vertreiben.«
    Sie zwang sich zu einem Lächeln und griff nach Hectors Hand. Überrascht stellte sie fest, dass er stark zitterte – genau wie an dem Tag, als er ihr den Heiratsantrag machte.
    Am darauffolgenden Morgen weckte Pearl Martin, indem sie auf seinem Bett umherhüpfte. Er war am Abend zuvor ohne sie ins Trocadero gegangen, und sie hatte irgendwann nach Mitternacht gehört, wie er nach Hause kam. Sie hatte bereits um zehn Uhr im Bett gelegen.
    »Steh auf!« Sie machte einen kleinen Sprung Richtung Kopfkissen und wieder zurück. In einer Hand hielt sie eine zusammengefaltete Ausgabe des Sydney Morning Herald , die sie hin und her schwang.
    »Sieh hier«, sagte sie und schlug ihn damit leicht an den Kopf. »Das ist einfach fantastisch.«
    Martin rieb sich den Schlaf aus den Augen und setzte sich im Bett auf. Er warf einen Blick auf die Uhr. Es war kurz nach sechs. »Das werde ich dir heimzahlen.«
    Im selben Moment griff er nach dem Kissen und schlug ihr damit auf den Bauch. Wie nicht anders zu erwarten wehrte sich Pearl mit einem erneuten Schlag mit der Zeitung an seine Stirn. Er fing sie ab und faltete sie auf. Pearl deutete auf einen kleinen einspaltigen Artikel am rechten Rand der Seite. Die Überschrift lautete: »Artie-Shaw-Invasion an unserer Küste«. Die Artie-Shaw-Navy-Band unter der Leitung des berühmten amerikanischen Klarinettisten sollte übermorgen für ein einziges Konzert im Trocadero von den Salomon-Inseln aus einfliegen.
    »Nichts Geringeres als die größte und beste Big Band der Welt!«, frohlockte Pearl.
    »Aber da gibt es ein kleines Problem, Schwesterherz«, sagte Martin. »Hier steht auch, dass die Vorstellung ausschließlich für Amerikaner reserviert ist. Und nur für deren Armeeangehörige.«
    Pearl setzte sich auf die Bettkante und schlug die Beine übereinander. »Du wirst doch ein paar Soldaten kennen, die uns mit reinschmuggeln?«
    Martin verdrehte die Augen. »Wie denn? Im Sturmgepäck?«
    »Könntest du dir nicht ein paar Uniformen ausleihen oder so was?«
    Martin warf ihr ein Kissen an den Kopf. »Selbst wenn ich das könnte … du hättest keine Chance, an den Militärpolizeiposten vorbeizukommen.«
    An dem Tag von Artie Shaws Konzert schob Pearl eine Erkältung vor, um nicht zur Arbeit gehen zu müssen.
    Am Nachmittag schleppte Clara den etwas widerspenstigen Aubrey mit zu einer Zusammenkunft der örtlichen Bürgerwehr. Ihre Tochter sollte rechtzeitig das Abendessen auf dem Herd warm machen und derweil den Tee servieren.
    Die Zwillinge lümmelten im Wohnzimmer herum, tranken Bier und legten Schallplatten auf. Pearl war noch immer fest entschlossen, sich durch irgendeinen Bluff am Abend Zugang zum Trocadero zu verschaffen, aber Martin war nicht so zuversichtlich.
    »Es werden ausschließlich weiße GIs hineingelassen, Schwesterchen«, wiederholte er zum hundertsten Mal. »Nicht einmal dein heißgeliebter James hätte eine Chance – selbst wenn er es rechtzeitig nach Sydney schaffen würde.«
    Pearl runzelte die Stirn. »Was willst du damit sagen?«
    Doch ihr Bruder wandte den Blick ab und schüttelte den Kopf.
    Pearl spürte, dass hinter dieser wie nebenbei gemachten Bemerkung weit mehr steckte. Daher hakte sie noch einmal nach, aber er antwortete wieder ausweichend.
    »Ich kenne dich doch ganz genau, Mart. Ich weiß, dass du etwas vor mir verbirgst. Los jetzt, raus mit der Sprache.«
    Martin seufzte und blickte zur Decke. Dann stand er auf, griff nach seinem Tabaksbeutel und den Streichhölzern, damit er sich oben eine Zigarette drehen konnte. »Nicht hier«, sagte er. »Gehen wir lieber in mein Zimmer.« Mit ernstem Gesicht schloss er die Zimmertür hinter sich.
    »Wir waren im Norden in Queensland. Irgendwo, wo Fuchs und Hase sich gute Nacht sagen«, fing er an. »Meilenweit vom nächsten Camp gab die Kupplung ihren Geist auf. Wir blieben mit dem Bus liegen.«
    Pearl saß auf seinem Bett, die Arme um ihren Körper geschlungen. Sie war sehr gespannt, was nun kam.
    »Nur der Rückwärtsgang funktionierte noch. Das war die einzige Möglichkeit, den Bus von der Stelle zu bewegen. Neuneinhalb Stunden im Rückwärtsgang durch den Busch. Kannst du dir das vorstellen?«
    Erst bei Anbruch der Dunkelheit erreichten sie ihr Ziel, einen Fliegerhorst mit zwei schmalen Start- und Landebahnen. Eigentlich waren sie für eine Show während der Mittagspause eingeplant gewesen, aber nun kamen sie mit halbtägiger Verspätung an.

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