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Bis auf die Haut

Bis auf die Haut

Titel: Bis auf die Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikki Gemmell
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Misstrauen satt: Er hat dichtgemacht, die Rollläden heruntergelassen, das Licht ausgeknipst. Du erkennst deinen Mann nicht wieder, er ist ein anderer geworden. Ein Fremder, der Theo anzieht, sie küsst, mit ihr im Bett herumtollt. Du schließt für einen Moment die Augen, versuchst die Vorstellung aus deinem Kopf zu jagen.
    Cole schließt die Tür auf und betritt die Wohnung, ohne sich zu vergewissern, dass du ihm folgst. Er geht sofort ins Bad. Du bleibst reglos auf der Schwelle stehen, starrst auf die geisterhaften Ruinen eurer Beziehung vor dir und weißt nicht, ob du dich überhaupt noch da hineinbegeben willst. So weit ist es also gekommen. In einem anderen Leben würdest du Theo anrufen, sie aus dem Bett klingeln, fragen, ob du bei ihr übernachten und dich ausheulen kannst. Na, klar, Süße, hätte sie gesagt, wäre ins Auto gesprungen und hätte dich abgeholt, weil sie dir nicht zutraute, dass du noch fahren könntest, so zittrig, wie deine Stimme klang.
    Du hast niemanden, zu dem du gehen könntest.
    Du weißt nicht, was du tun sollst.
    Du gehst hinein, ins Schlafzimmer. Setzt dich an den Frisiertisch, lässt den Kopf hängen und stützt die Schläfen auf deine Hände.

32. Lektion Das Angesicht eines selbstsüchtigen Weibs ist oft säuerlichen Zuges
    Mitte Juli. Ein forscher Hitzeausbruch. Endlich hat der Sommer begonnen, und du spürst die überschwängliche Freude, die alle Menschen auf den Straßen packt: Die Leute springen in den Brunnen am Trafalgar Square, lassen die Arbeit Arbeit sein und sonnen sich auf Liegestühlen im Hydepark.
    Deine Stimmung dunkel wie Wein.
    Du findest keine Zuflucht mehr in Nettigkeit, guten Taten und Unterwerfung, du bist dabei, dich zu verändern, du spürst, wie es in dir gärt. Es gibt dir jetzt einen gewissen Kick, wenn ein Paar sich trennt, du hast das Gefühl, dass damit die Ordnung wiederhergestellt wird, denn das ist doch unsere Bestimmung, einsam und allein zu sein. Es gibt dir einen Kick, wenn ein Bekannter seinen Job verliert oder wenn seine neue Zeitschrift verrissen wird, wenn es eine Fehlgeburt gab oder wenn es bei einer Hochzeit wie aus Kübeln gießt. Du fragst dich, was aus dir geworden ist. Aus dem Gleis geworfen? Kein Fußabstreifer mehr? Einfach ein Mensch wie alle anderen?
    Aber irgendetwas beginnt sich in dir zu entfalten: die Idee, vielleicht nicht mehr so zögerlich zu leben, sondern egoistischer. Dich faszinieren alle Leute, die so unvernünftig und von Leidenschaften getrieben und lächerlich wirken, gleichzeitig aber
lebendig
, bei allem Chaos, was das mit sich bringt. Du bist immer zu vorsichtig gewesen. Zu sanftmütig für das toughe Journalistenleben, hat Cole einmal gesagt, nicht einschüchternd oder neurotisch genug, Gott sei’s gedankt.
    Eine Gefangene der eigenen Farblosigkeit. Und Angst. Und der Vorstellung, dass es einfacher ist zu unterrichten, als zu handeln.
    Du denkst über Menschen nach, die einfach verschwinden. Theo hatte einmal so eine Freundin, der ihr festgefahrenes Leben zuwider war, und eines Tages sagte sie, ich muss noch schnell in den Supermarkt, ließ ihren Mann auf dem Parkplatz warten und kam nie wieder heraus. Ihr Mann wartete drei Stunden, bevor er Alarm schlug.
    Du fragst dich, ob du ein waghalsigeres Selbst in dir zu Tage fördern könntest. Du würdest gern größere Anstrengungen unternehmen, schön oder wenigstens interessant zu sein. Schönheit ist Macht, hat dir deine Mutter beigebracht. Als du ein Teenie warst, sagte sie immer, schmeiß doch um Himmels willen diese Brille weg und versuch, was Vorzeigbares aus dir zu machen, als könntest du unmöglich ihre Tochter sein.
    Du entdeckst dein erstes graues Haar und reißt es dir aus, und dann zupfst du dir die Haare unterm Kinn und auf dem Bauch aus und bist richtig aufgeregt, als sie verschwinden, hast das Gefühl, als würde dein Leben, dein wahres Leben, erst beginnen. Du selbst musst dafür sorgen, dass es beginnt, du kannst nicht einfach aufgeben. Früher war Leben für dich etwas, das immer nur anderen passierte. Theo zum Beispiel.

33. Lektion Das große Erfordernis im Leben ist ein beständiger, unaufhörlicher Wandel
    Mitte August. Ein Entschluss. Du musst diese Weinerlichkeit endlich überwinden, das ist der falsche Weg, du musst dich selbst wieder aus dem Sumpf ziehen. Ein Entschluss, dass bestimmte Vorfälle in einer Beziehung letzten Endes ignoriert werden müssen, wenn die Beziehung überleben soll; sie lassen sich nicht verarbeiten und ausräumen.

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