Bis auf die Haut
seinen Kontakten zu berühmten Leuten, lässt gern prominente Namen fallen, kann nicht für sich allein bestehen. Er mag dich, weil du den Klatsch aus dem Showbiz verfolgst und mit großen Augen in seine Gesprächsthemen einsteigst. Er hat eine lose Beziehung zu einem Popstar aus Dublin, einer Schönheit mit perfektem Haarschnitt und einem Sommerhit, dessen Titel dir nie einfallen will. Sie ist nicht auf der Party. Es sind überhaupt keine Promis auf der Party, Simon wird schmerzlich enttäuscht sein. Du beobachtest, wie die Gäste mitten in der Unterhaltung prüfende Blicke über die Schulter werfen, als wären sie einzig hier, um irgendwelche Berühmtheiten zu sehen.
Du willst hier raus.
Du sitzt alleine in einer Ecke auf einem schwarzen Ledersofa, das wie ein Sattel knarzt. Neben dir steht eine Lavalampe, die nicht mehr funktioniert. Du warst nie die große Partygängerin. Du hast eine Begabung dafür, zu erröten, peinliche Gesprächspausen aufkommen zu lassen oder etwas Unpassendes zu sagen. In größeren Gruppen bewegst du dich nicht sehr gewandt, unterhältst dich lieber mit einem einzigen Gegenüber. Du musterst die Gäste: ein schrecklicher Gedanke, wieder allein zu sein und jedem Mann mit einer gewissen Absicht zu begegnen. Du wirst immer rot, wenn dir ein Mann gefällt, das konntest du dir nie abgewöhnen, da lässt dein Körper dich oft im Stich. Du stellst dir Theo hier vor, als glanzvollen Mittelpunkt des Raums; sie würde von Grüppchen zu Grüppchen flattern und sich in jedes Gespräch einmischen.
Du trägst eins deiner Lieblingskleider, ein schwarzes Satinkleid mit Einsätzen aus alten Kimonostoffen im Oberteil, das heute allerdings ein Fehlgriff war, overdressed. Du willst nur noch nach Hause. Alleine kannst du nicht gehen, zwei Häuser in deiner Straße sind in der Hand der Drogenszene, erst letzte Woche wurde eine Frau mit einem Messer überfallen. Du brauchst Cole. Er ist in Höchstform, arbeitet sich durch den Raum; du wünschst dir, er würde die Sache etwas beschleunigen. Du hasst dieses Gefühl, in der Falle zu sitzen, das dich auf Partys manchmal beschleicht, du hasst es, wenn du nicht selbst die Flucht ergreifen kannst, sondern von anderen abhängig bist. Du sitzt hier fest, in einem schwarzen Satinkleid, das für den heutigen Abend zu fein ist.
Cole steht bei Simon. Keiner der beiden kann den anderen besonders leiden, doch sie bleiben in Verbindung, weil man ja nie weiß, wann der Kontakt einmal nützlich werden könnte. Sie sprechen nicht über den Canaletto; es ist nicht Coles Art, so direkt zu sein. Das Gespräch verebbt und du gehst auf sie zu, erklärst höflich, du seist im Aufbruch. Du gehst zur Tür. Eine Hand legt sich auf deinen Rücken. Mit stählernem Griff schiebt sie dich auf einen Balkon, auf dem sich die Leute drängen; du weichst zurück, doch die Hand bleibt hartnäckig auf deinem Rücken liegen.
Ich muss nach Hause, sagst du leise, fühlst dich sehr alt.
Ich brauche noch eine Adresse. Nur noch fünf Minuten, ja?
Du passt die Zeit genau ab und ziehst ihn dann hinaus.
Heute Abend habt ihr beide gesiegt, Cole allerdings mehr als du, er hat immer die besseren Karten.
31. Lektion Kinder sollten nie mit dem Kopfe unter den Leintüchern schlafen
Was denkst du auf dem Heimweg, als ihr beide schweigend und mit einem Meter Abstand nebeneinander hergeht? Mein Mann heißt Cole, und das ist auch schon das Bemerkenswerteste an ihm. Genügt das, um dich an ihn zu binden? Der Zweifel sickert in dich hinein wie ein Gift und verrichtet sein schmutziges Werk.
Cole wird dir nie sagen, was geschehen ist. Vielleicht hättest du an jenem Gewitternachmittag im Hotelzimmer eine Chance gehabt, deine einzige Chance, als er durch den Schock schwer angeschlagen war. Aber was hast du getan? Nichts! Du hast dich lieber hingesetzt, mit rasendem Herzklopfen. Denn das war schon immer deine Art, Rückzug, Ducken, Schweigen. Erst später, viel später fällt dir ein, was du hättest sagen sollen. Aber die Worte werden nie rechtzeitig ausgesprochen, du hast immer Angst, jemanden zu verletzen, selbst wenn du selber verletzt bist. Und du bist zu feige, ja, das auch. Du fragst dich, was passieren würde, wenn du den Zorn einmal herausließest, der dein Herz verschlammt. Du schaust zu dem verschlossenen Gesicht deines Mannes hinüber und weißt, dass du seinen Panzer nie mehr knacken kannst, diesen Moment hast du verpasst. Du hast ihn einmal zu oft gefragt, was denn passiert ist, und er hat dein
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