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Bis auf die Haut

Bis auf die Haut

Titel: Bis auf die Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikki Gemmell
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auch, wenn er nicht da ist, wenn er absichtlich spät nach Hause kommt; im Moment stimmt einfach nichts in deinem Leben. Du stehst da und wirst dich gleich in den Strom der Pendler einfädeln, die es gar nicht erwarten können, in ihre häusliche Abgeschiedenheit zurückzukehren. Da biegt ein Auto um die Ecke und kurvt dicht bei dem Trio durch das Wasser, der Wagen nähert sich dem Rinnstein, eine Fontäne spritzt hoch wie ein Fächer und ergießt sich über dich. Du bist wie vom Blitz getroffen, erstarrt, ein Blackout, als hätte dir jemand einen Witz erzählt und erwarte von dir, dass du die Pointe kapierst.
    Du schaust den Mann neben dir an. Auch er ist nass. Da musst du lachen. Auch er lacht.
    Ich glaube, Sie brauchen Hilfe, sagst du.
    Sie aber auch.
    Du schaust an dir herunter. Dein weißes Baumwollkleid ist vorne triumphal durchtränkt, klebt an dir wie ein Stück widerspenstige, um einen Baum gewickelte Seide. Du wirfst den Kopf zurück und verziehst den Mund zu einer lächelnden Grimasse: O Gott! Und dann legt sich ein Männersakko um deine Schultern, ein Mann führt dich zum Tisch zurück, ein Mann hält dich auf eine Art umfangen, wie dich nur dein Mann anfassen sollte, besitzergreifend.
    Es ist natürlich der Mann mit der schönen Nackenlinie.

35. Lektion Haken und Ösen
    Mit einem Schlag ist alles anders.
    Gabriel Bonilla, so heißt er. Du wiederholst den Namen, schiebst ihn im Mund herum wie eine mehlige Kartoffel. Du grinst. Dir bleibt nichts übrig, als zu warten, bis dein Kleid wieder anständig getrocknet ist, das kann eine Weile dauern, und dieser Gabriel Bonilla fragt dich, ob du dringend nach Hause musst – nein, kein Problem, es gibt nichts, was zu Hause auf dich warten würde – und dabei lachst du eine Spur zu laut, dein Lachen platzt heraus, als wäre in dir etwas aufgebrochen.
    Also dann hallo!
    Da sitzt du nun in diesem drittklassigen Lokal und ihr redet über Gott und die Welt, fallt euch gegenseitig ins Wort, tastet euch in das Leben des anderen vor.
    Und du schüttelst deine Fesseln ab.
    Du könntest dich nie mit dieser Ungezwungenheit, dieser Leichtigkeit unterhalten, wenn du ungebunden wärst. Die Tatsache, dass du verheiratet bist, gibt dir Sicherheit, Selbstvertrauen. Aber am Erröten ändert sie nichts. Auch Gabriel Bonilla wird öfter rot, genau wie du, richtig lächerlich über und über rot, und du wagst zu denken, dass das etwas zu bedeuten hat, du hältst dich mit der Frage nach einer Lebensgefährtin und einer Familie zurück, du willst es wissen, musst es wissen, hast aber Angst, dass du durch eine solche Frage zu viel von dir preisgeben und wieder rot werden könntest. Wie nach dem Wasserguss, als dir bewusst wurde, dass er deinen Körper in seiner ganzen Verletzlichkeit gesehen hat, zu viel davon, die zu dicken Schenkel, die Nippel, die sich durch den BH durchdrückten, Gott, einfach alles, und bei der Erinnerung schlägst du die Hand vor den Mund, doch er senkt den Blick, als wollte er nicht in deine Privatsphäre eindringen, als hätte er aus Versehen eine Tür zu deinen Gedanken geöffnet.
    Dieser Mann, der in seinem Sommeranzug vor dir sitzt, fasziniert dich. Warum, kannst du nicht genau festmachen, aber er hat etwas Anständiges, Altmodisches, Ritterliches an sich. Er passt nicht in diese Welt der Neonlichter, wo sich ein Sexshop an den anderen reiht, wo in einer Einfahrt gelangweilt ein Mädchen lehnt, deren Arme von Einstichstellen gesprenkelt sind. Dieser Gabriel Bonilla sollte überhaupt nicht hier sein. Er stammt aus einer anderen Zeit, aus einer anderen Welt, gehört zu den Leuten, die keine Frau am Steuer erwarten, wenn im Auto noch ein Mann mitfährt. Dazu sein spanischer Name und sein flüssiges Englisch – meine Mutter ist Engländerin, mein Vater Spanier – und wieder platzt du mit deinem Lachen heraus, aha, das erklärt alles.
    Was machen Sie beruflich?, fragst du.
    Raten Sie mal.
    Du beugst dich vor, stützt dein Kinn auf die Hand: Lehrer, Arzt, Spion?
    Ich bin Schauspieler, sagt er.
    Du richtest dich wieder auf. Ziehst dich ein klein wenig zurück. Du kennst keine Schauspieler, bist nicht sicher, ob du welche kennen willst, du liest gern in Zeitschriften den Klatsch über sie, aber das reicht dir eigentlich.
    Ich erkenne Sie nicht. Sollte ich das?
    Nein, nein, lacht er. Niemand erkennt mich mehr. Früher war ich berühmt, etwa eine Woche lang, da war ich noch keine zwanzig. Ich habe eine schreckliche Soap gedreht – und bei deiner Frage hält er

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