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Bis auf die Haut

Bis auf die Haut

Titel: Bis auf die Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikki Gemmell
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du oft störrisch, in Kleinigkeiten nur, doch die sind explosiv. Denn die Erkenntnis ist so plötzlich über dir zugeschnappt wie ein Falleisen, hat dich aus deiner Ehe verbannt, deinem Zuhause, deinem Leben. Eine Affäre.
    Wir. sind. bloß. ab und zu. einen trinken. gegangen. Alles klar?
    Ich glaub dir nicht. Tut mir Leid, aber ich kann dir einfach nicht glauben.
    Aber es ist wahr, und es hängt mir zum
Hals
raus, es ständig zu wiederholen.
    Ich glaub dir nicht. Tut mir Leid. Ich
kann’s
einfach nicht glauben.
    Du hebst deine eiskalten Hände, deren Knöchel ganz weiß sind, in Kopfhöhe. Du bist nicht mehr du selbst, erkennst deine Stimme nicht mehr.
    Du verkriechst dich Tag für Tag in diesem Lokal im Londoner Rotlichtbezirk. Ein kleines Zeichen dafür, dass etwas in dir zerbrochen ist. Du weißt nicht, warum du dir ausgerechnet diesen Ort ausgesucht hast, du bist nie allein in Cafés oder Restaurants gegangen. Du weißt nur, dass die beiden Menschen, die dir auf der ganzen Welt am nächsten waren, fort sind, verschwunden aus deinem Herzen, das mit einem Schlag dichtgemacht hat. Und nur wenn du in diesem Lokal in Soho sitzt und deine unlesbare Zeitung ausbreitest und deinen Tee bestellst, spürst du, wie dieser Ball aus zusammengepresster Alufolie in dir sich langsam auseinander faltet. Niemand würde es dir, der stillen, unauffälligen Hausfrau aus dem Vorort, ansehen, dass vor kurzem in einem Hotelzimmer in Marrakesch deine ganze Existenz mit einem einzigen Knall vernichtet worden ist.
    Geblieben ist nur der Schock, der so tief geht, dass du nicht einmal weinen kannst.
    Sie ist eine Freundin, nur eine Freundin, das ist alles, was er vorbringen kann, die dritte Woche schon, und du knallst in diesem Lokal in Soho deine Teetasse auf den Unterteller. So heftig, dass er einen Sprung bekommt.

28. Lektion Wer der Natur Zwang anthuet, wird mit Krankheit bestraft
    Ein Monat nach der Rückkehr aus Marrakesch. Stagnation; keine Langeweile oder Zorn, sondern Stillstand, du nimmst keinen Anteil, interessierst dich für nichts, weißt nicht so recht, was du mit der nächsten Stunde, mit deinem Leben anfangen sollst. Schlaf bietet eine kurzfristige Lösung. London eignet sich bestens dafür, mit seinem milchigen, gefilterten Licht, das ganz anders ist als das Licht deiner Kindheit, das morgens in kühnen Streifen durch die Fensterläden drang, dich wachstupste und nach draußen scheuchte. Der Himmel in London ist wie die vor Feuchtigkeit durchhängende Decke eines alten Hauses, und du verdöst jetzt ganze Vormittage. Wenn du aufwachst, wühlt eine angstvolle Übelkeit in deinem Bauch. Dann läufst du durch die Straßen und schaust vor dich hin, ohne etwas zu sehen, deiner schützenden Hülle beraubt.
    Selfridges lockt dich hinein, mit seinen Versprechen, das Nobelkaufhaus an der High Street. Du warst schon lange nicht mehr dort, früher bist du oft mit Theo durchgebummelt, sie hat dir immer Dinge zum Anprobieren aufgedrängt, die du überhaupt nicht haben wolltest. Du kämmst die Accessoire-Stände durch. Kaufst sechs Ringe und steckst sie dir an, damit du nicht mehr gleich auf den ersten Blick als verheiratet zu erkennen bist; dein Verlobungsring und dein Ehering gehen zwischen den anderen Schmuckstücken unter, lächelnd streckst du deine Finger aus.
    Aber dann ist alles wieder da. Seine Stimme kommt dir immer wieder hoch. Der Ton, als er mit ihr telefonierte. Es ist nicht so sehr die Vorstellung, wie sie körperlich zusammen sind, sondern seine Stimme, dieses vertraute Timbre darin. Erst als du es im Hotelzimmer gehört hast, wurde dir klar, wie lange er mit dir nicht mehr so gesprochen hat. Und wie sehr du diese Stimme vermisst.
    Deine
Stimme.
    Auf dem Heimweg vom Lokal zur U-Bahn merkst du, dass du die Zähne zusammenbeißt, du versuchst ganz bewusst, die Kiefer zu lockern, und reibst dir über die Stirn, über die neue, fröstelig weiße Falte zwischen den Augenbrauen. Jeden Abend vor dem Schlafengehen knetest du mit den Fingerspitzen und kühler, weißer Vitamin-E-Creme auf ihr herum. Hinter dir tickt die Wohnung. Außer dem Schlafzimmer sind alle anderen Zimmer dunkel. Cole ist jetzt viel fort, muss bis spät in die Nacht arbeiten, redet sich jedenfalls damit heraus. In der Diele brennt kein Licht zu seiner Begrüßung. Jeden Abend sitzt du am Frisiertisch und stützt deine Stirn auf die Fingerspitzen wie auf ein Baugerüst. Denn was dich wirklich fertig macht, sind die langen, langen Nächte.
    Die dich ausblasen

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