Bis auf die Knochen
klatschen. Langsam und stetig. Einige andere Studierende fielen ein, und es dauerte nicht lange, und fast alle klatschten.
Der junge Mann in Reihe drei stand auf. Ich ö ffnete den Mund, um ihm zu sagen, er solle sich setzen, doch dann fiel mein Blick auf sein Gesicht. Es war knallrot gefleckt, und er sah aus, als w ü rde er jeden Augenblick in Tr ä nen ausbrechen. Er starrte mich einen langen Augenblick an, Kr ä nkung und Verrat in den Augen. Dann ging er zum Gang und verlie ß , von Buhrufen und Pfiffen begleitet, den H ö rsaal.
Ich sammelte meine Unterlagen zusammen, die Beckenknochen und die zerknitterte Zeitung und verlie ß den Saal durch die untere hintere T ü r. Als ich ü ber den Gehweg vom McClung-Museum zum Unterbauch des Neyland Stadions trottete und die Treppe zu meinem B ü ro und meiner Sammlung sich immer noch entwickelnder Skelette nahm, machte ich mir Vorw ü rfe, dass ich zu weit gegangen war, zu schroff gesprochen hatte, denn ich war wegen des Zeitungsartikels schon w ü tend gewesen, als ich den H ö rsaal betreten hatte. Es war wichtig, dass Wissenschaftler gute Wissenschaft verteidigten und Pseudowissenschaft als solche blo ß stellten. Doch es war auch wichtig, dies behutsam zu tun, besonders gegen ü ber Studierenden. » Verdammt, Bill «, sagte ich zu mir und ü ber mich. »Verdammt.«
9
Bei einer Anhörung auszusagen, bei der es darum ging, einem Arzt die Approbation zu entziehen, war nicht dasselbe, wie vor Gericht auszusagen, aber es war verdammt nah dran. Diese Anh ö rung sah aus wie ein Prozess und trat auf wie ein Prozess, einschlie ß lich der Anw ä lte und dem Eid, die Wahrheit zu sagen und nichts als die Wahrheit.
Das Ministerium f ü r Gesundheit und Umwelt des Staates Tennessee hatte einen Anwalt, dessen Aufgabe es war, mir leichte Fragen zu stellen, und Dr. Garland Hamilton – der Medical Examiner, dessen Zulassung sozusagen auf dem Hackklotz lag – hatte einen Anwalt, dessen Aufgabe es war, meine Antworten auseinanderzunehmen.
Der Fall, aufgrund dessen der Staat sich gen ö tigt sah, seinem eigenen Medical Examiner die Zulassung zu entziehen, war sehr faszinierend. Ein Mann namens Eddie Meacham hatte an einem Samstagabend den Polizeinotruf in Knoxville gew ä hlt, um durchzugeben, dass sein Freund gerade zusammengebrochen war. Als der Krankenwagen eintraf, war Billy Ray Ledbetter tot. Er hatte eine blutende Wunde am unteren R ü cken. Dr. Hamilton f ü hrte eine Autopsie durch, fand in Ledbetters rechter Lunge gro ß e Mengen Blut und kam zu dem Schluss, die Todesursache sei eine Stichwunde im unteren R ü cken, bei der die Klinge in den unteren rechten Lungenlappen eingedrungen war.
Das Problem war, dass die » Stichwunde «, wie sich herausstellte, von einer gro ß en Scherbe eines gl ä sernen Couchtischs stammte, den Billy Ray kaputtgemacht hatte, als er darauf gest ü rzt war. Ich hatte das zweifelhafte Vergn ü gen, hinzugezogen zu werden und auf der Body Farm ein Experiment durchzuf ü hren, das bewies, dass es – selbst wenn es eine Stichwunde gegeben h ä tte, die es nicht gab – f ü r eine Messerklinge unm ö glich war, an der linken Seite in den R ü cken einzudringen, die Wirbels ä ule zu kreuzen und dann um neunzig Grad umzuschwenken, um in die rechte Lunge zu sto ß en. Die wahre Todesursache der Lungenblutung war, wie sich herausstellte, eine Schl ä gerei in einer Bar zwei Wochen vor Billy Rays Tod, bei der er schwere Stiefeltritte einstecken musste. Dabei hatte er mehrere Rippenbr ü che erlitten, und ein spitzer Knochensplitter hatte die Lunge durchstochen. Meine Zeugenaussage hatte dem doppelten Zweck gedient, Billy Rays Freund von einer ungerechtfertigten Mordanklage freizusprechen – was mich freute – und die Aufmerksamkeit auf Dr. Hamiltons Inkompetenz zu lenken – was mir aus zwei Gr ü nden missfiel: Erstens, weil er inkompetent war, und zweitens, weil ich jetzt daran beteiligt war, einem langj ä hrigen Kollegen seine Zulassung zur Aus ü bung des Arztberufs zu entziehen.
Hamilton war mir nach dem Prozess w ü tend gegen ü bergetreten, also war ich, als ich den Raum betrat, auf das Schlimmste gefasst. Er stand auf und kam auf mich zu; ich machte mich auf einen Angriff gefasst, verbal oder sogar k ö rperlich. Stattdessen streckte er die rechte Hand aus. Verdutzt griff ich danach und sch ü ttelte sie. » Keine Ressentiments, Bill «, sagte er mit einem L ä cheln und quetschte meine Hand.
Ü berrascht ü ber seinen
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