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Bis auf die Knochen

Bis auf die Knochen

Titel: Bis auf die Knochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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klatschen. Langsam und stetig. Einige andere Studierende fielen ein, und es dauerte nicht lange, und fast alle klatschten.
    Der junge Mann in Reihe drei stand auf. Ich ö ffnete den Mund, um ihm zu sagen, er solle sich setzen, doch dann fiel mein Blick auf sein Gesicht. Es war knallrot gefleckt, und er sah aus, als w ü rde er jeden Augenblick in Tr ä nen ausbrechen. Er starrte mich einen langen Augenblick an, Kr ä nkung und Verrat in den Augen. Dann ging er zum Gang und verlie ß , von Buhrufen und Pfiffen begleitet, den H ö rsaal.
    Ich sammelte meine Unterlagen zusammen, die Beckenknochen und die zerknitterte Zeitung und verlie ß den Saal durch die untere hintere T ü r. Als ich ü ber den Gehweg vom McClung-Museum zum Unterbauch des Neyland Stadions trottete und die Treppe zu meinem B ü ro und meiner Sammlung sich immer noch entwickelnder Skelette nahm, machte ich mir Vorw ü rfe, dass ich zu weit gegangen war, zu schroff gesprochen hatte, denn ich war wegen des Zeitungsartikels schon w ü tend gewesen, als ich den H ö rsaal betreten hatte. Es war wichtig, dass Wissenschaftler gute Wissenschaft verteidigten und Pseudowissenschaft als solche blo ß stellten. Doch es war auch wichtig, dies behutsam zu tun, besonders gegen ü ber Studierenden. » Verdammt, Bill «, sagte ich zu mir und ü ber mich. »Verdammt.«

9
    Bei einer Anhörung auszusagen, bei der es darum ging, einem Arzt die Approbation zu entziehen, war nicht dasselbe, wie vor Gericht auszusagen, aber es war verdammt nah dran. Diese Anh ö rung sah aus wie ein Prozess und trat auf wie ein Prozess, einschlie ß lich der Anw ä lte und dem Eid, die Wahrheit zu sagen und nichts als die Wahrheit.
    Das Ministerium f ü r Gesundheit und Umwelt des Staates Tennessee hatte einen Anwalt, dessen Aufgabe es war, mir leichte Fragen zu stellen, und Dr. Garland Hamilton – der Medical Examiner, dessen Zulassung sozusagen auf dem Hackklotz lag – hatte einen Anwalt, dessen Aufgabe es war, meine Antworten auseinanderzunehmen.
    Der Fall, aufgrund dessen der Staat sich gen ö tigt sah, seinem eigenen Medical Examiner die Zulassung zu entziehen, war sehr faszinierend. Ein Mann namens Eddie Meacham hatte an einem Samstagabend den Polizeinotruf in Knoxville gew ä hlt, um durchzugeben, dass sein Freund gerade zusammengebrochen war. Als der Krankenwagen eintraf, war Billy Ray Ledbetter tot. Er hatte eine blutende Wunde am unteren R ü cken. Dr. Hamilton f ü hrte eine Autopsie durch, fand in Ledbetters rechter Lunge gro ß e Mengen Blut und kam zu dem Schluss, die Todesursache sei eine Stichwunde im unteren R ü cken, bei der die Klinge in den unteren rechten Lungenlappen eingedrungen war.
    Das Problem war, dass die » Stichwunde «, wie sich herausstellte, von einer gro ß en Scherbe eines gl ä sernen Couchtischs stammte, den Billy Ray kaputtgemacht hatte, als er darauf gest ü rzt war. Ich hatte das zweifelhafte Vergn ü gen, hinzugezogen zu werden und auf der Body Farm ein Experiment durchzuf ü hren, das bewies, dass es – selbst wenn es eine Stichwunde gegeben h ä tte, die es nicht gab – f ü r eine Messerklinge unm ö glich war, an der linken Seite in den R ü cken einzudringen, die Wirbels ä ule zu kreuzen und dann um neunzig Grad umzuschwenken, um in die rechte Lunge zu sto ß en. Die wahre Todesursache der Lungenblutung war, wie sich herausstellte, eine Schl ä gerei in einer Bar zwei Wochen vor Billy Rays Tod, bei der er schwere Stiefeltritte einstecken musste. Dabei hatte er mehrere Rippenbr ü che erlitten, und ein spitzer Knochensplitter hatte die Lunge durchstochen. Meine Zeugenaussage hatte dem doppelten Zweck gedient, Billy Rays Freund von einer ungerechtfertigten Mordanklage freizusprechen – was mich freute – und die Aufmerksamkeit auf Dr. Hamiltons Inkompetenz zu lenken – was mir aus zwei Gr ü nden missfiel: Erstens, weil er inkompetent war, und zweitens, weil ich jetzt daran beteiligt war, einem langj ä hrigen Kollegen seine Zulassung zur Aus ü bung des Arztberufs zu entziehen.
    Hamilton war mir nach dem Prozess w ü tend gegen ü bergetreten, also war ich, als ich den Raum betrat, auf das Schlimmste gefasst. Er stand auf und kam auf mich zu; ich machte mich auf einen Angriff gefasst, verbal oder sogar k ö rperlich. Stattdessen streckte er die rechte Hand aus. Verdutzt griff ich danach und sch ü ttelte sie. » Keine Ressentiments, Bill «, sagte er mit einem L ä cheln und quetschte meine Hand.
    Ü berrascht ü ber seinen

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