Bis auf die Knochen
Haus parkten vier Gel ä ndelimousinen – von jeder der vier Fernsehstationen in Knoxville eine. Mehrere Kameraleute und Reporter standen plaudernd in meinem Hof. W ä hrend ich noch dort sa ß und ü berlegte, was ich tun sollte, schwenkte ein Kameramann seine Linse in meine Richtung, und s ä mtliche K ö pfe folgten seiner Bewegung. Bald waren alle vier Videokameras auf mein Auto gerichtet, und ich kam mir vor wie ein Tier, das wei ß , dass es gejagt wird.
Schlie ß lich bezwang ich meine Angst, nahm den Fu ß von der Bremse und fuhr langsam auf meine Einfahrt zu. Als ich einbog, nahmen die Kameraleute ihre Kameras von den Stativen und n ä herten sich meinem Wagen. Die Reporter folgten einige Schritte dahinter, um ihnen nicht ins Bild zu geraten. Ich holte tief Luft, ö ffnete die T ü r und stieg aus dem Wagen.
Noch bevor ich beide F üß e auf dem Boden hatte, fragte einer der Reporter: » Dr. Brockton, was k ö nnen Sie uns ü ber den Mord drau ß en auf der Body Farm sagen? «
» Ich f ü rchte, dar ü ber kann ich nicht reden «, sagte ich. »Die Polizei hat mich darum gebeten.«
» K ö nnen Sie uns sagen, wer das Opfer war? «
» Es tut mir leid, aber das kann ich nicht «, sagte ich. » Bevor die Identit ä t des Opfers bekannt gegeben wird, m ü ssen zuerst die n ä chsten Angeh ö rigen informiert werden.«
» Kannten Sie das Opfer? «
» Es … es tut mir leid, das kann ich nicht sagen.«
» War es ein Mann oder eine Frau? So viel k ö nnen Sie uns doch sicher verraten? «
» Nein.«
» Wie wurde er umgebracht? Wie wurde sie umgebracht? « Diesmal sch ü ttelte ich nur den Kopf und eilte ü ber den geschwungenen Backsteinweg zur Haust ü r, w ä hrend ein Kameramann sich beeilte, mich zu ü berholen, um die Kamera auf mein Gesicht zu richten.
Als ich den Schl ü ssel ins Schloss steckte und die Haust ü r ö ffnete, feuerte der Journalist, der die erste Frage gestellt hatte, eine letzte Frage ab. » Betrachtet die Polizei Sie als Verd ä chtigen, Dr. Brockton? «
Diese Frage lie ß mich wie festgewurzelt innehalten. Ich stand in der offenen T ü r, drehte mich um und sah die acht Menschen sowie die vier Linsen an. » G ü tiger Himmel «, sagte ich, » nat ü rlich nicht.« Damit trat ich ins Haus und schloss hinter mir die T ü r.
27
Das Gewirr aus graubraunen Kästen, aus denen das Hauptquartier der Polizei von Knoxville bestand, besa ß gerade gen ü gend Fenster, um zu betonen, wie leer und ungebrochen die meisten Mauern waren. Sehr viel Glas fand sich im Eingangsbereich, der zugleich als Korridor diente, der die Polizeibeh ö rde mit dem Amt f ü r Ver kehrsordnungswidrigkeiten verband. Draußen rauchten Polizisten und Parks ü nder friedlich miteinander ihre Zigarettchen.
Ich wandte mich in der Halle nach links und stellte mich dem diensthabenden Wachtmeister hinter dem Sicherheitsglas vor. Er nickte, weil er wohl meinen Namen kannte, und rief per Summer jemanden herbei, der mich nach oben bringen w ü rde. Mein Begleiter stellte sich als kleingewachsener Beamter mit der Statur und der Pers ö nlichkeit eines Hydranten heraus. Obwohl ich noch nie einen Hydranten gesehen hatte, der einen halb zerkauten Zahnstocher da stecken hatte, wo sein Gesicht w ä re – falls Hydranten ü berhaupt ein Gesicht hatten. Der Name des Hydranten war Horace Bingham, ein Name, den ich besonders ungl ü cklich fand – besonders, weil er es » Horse « aussprach, Pferd –, obwohl ich so viel Anstand besa ß , Horace’ Aufmerksamkeit weder auf seinen ungrazi ö sen Vornamen noch auf seine ungrazi ö se Aussprache zu richten.
Horace f ü hrte mich in einen kahlen Raum, der mit einem Tisch, drei Alu-Klappst ü hlen und einer hoch oben in einer Ecke angebrachten Videokamera ausgestattet war, und schloss die T ü r. Zwanzig Minuten krochen dahin.
Das Klingeln meines Handys lie ß mich zusammenzucken. Es war Art.
» Wie geht es dir? Wo bist du? «
» Witzig, dass du das fragst. Ich bin in einem Besprechungszimmer im dritten Stock der Polizei in Knoxville und warte auf Detective Sergeant John Evers.«
» Evers bearbeitet den Fall? «
» Ja. Vielleicht mit Hilfe dieses kleinen Kerls, der aussieht wie ein Hydrant.«
» Oh, du meinst Horse.«
» Ja. Horse.«
» Also, Evers ist gut. Das Beste, was ich ü ber Horse sagen kann, ist, dass er sich im Hintergrund h ä lt und Evers den gr öß ten Teil der Arbeit machen l ä sst. Wei ß t du, ob sie schon irgendwelche Spuren haben? «
» Sie haben noch
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