Bis aufs Messer
Sie mir ein solches Angebot machten — ich
erinnere mich daran — , geschah es, um mich davon abzuhalten, ein paar
peinliche Fragen zu stellen«, sagte ich. »Dummerweise kannte ich damals die
passenden Antworten noch nicht.«
Sie
erstarrte. »Und jetzt wissen Sie sie?«
»Erinnern
Sie sich an Helen Christie?« sagte ich. »Die Stückedoktorin, die Rafes Problem beim dritten Akt löste?«
»Helen
Christie?« wiederholte sie langsam. »Nein, ich glaube nicht, daß ich den Namen
je gehört habe.« Ihre haselnußbraunen Hexenaugen
waren betont unschuldig, als sie mich gerade anblickte. »Warum, ist sie
wichtig?«
»Lassen
wir die neckischen Spielchen beiseite«, knurrte ich, » Rafe hat mir selber von ihr erzählt. Und sie ist wichtig — jemand hat sie gestern nacht ermordet.«
»Ermordet?«
Ihre Brauen verschwanden in den tief herabhängenden schwarzen Fransen. »Warum
sollte sie jemand umbringen wollen?«
»Vielleicht
weil sie in diese Erpressungsaffäre verwickelt war?« sagte ich. »Weil sie zuviel wußte oder etwas besaß, was ein anderer dringend
haben wollte? Ich weiß es nicht. Ich hatte gehofft, Sie würden mir helfen,
dahinterzukommen, Jackie.«
»Ich?«
Sie blinzelte heftig. »Wie kommen Sie darauf, ich könnte etwas über Helen
Christie wissen? Sie kam drei oder vier Tage ins Haus, bevor ich dort — hinausgeschmissen
wurde. Sie verbrachte ihre ganze Zeit bei Rafe im
Arbeitszimmer und war mit dem Stück beschäftigt. Miles Hillan erklärte uns anderen, das beste sei, wenn wir so täten, als wäre sie nicht da;
und wir sahen sie nicht einmal, wenn sie vorbeiging. Es hätte Rafes Ruf geschadet, wenn irgend jemand erfahren hätte, daß er Hilfe bei seinem neuen Stück brauchte, behauptete Hillan , selbst wenn alles völlig legitim war.«
Ich
trank einen Schluck Bourbon und begann, laut zu denken. »So, wie Sie die Sache
erzählen, hat Antonia Sie mit Petes Hilfe hereingelegt, so daß Kendall Sie mit
ihm zusammen im Bett erwischte. So wie Antonia die Angelegenheit hinstellt,
haben Sie sie mit einem falschen Telefonanruf aus dem Haus und in das
Restaurant gelockt, wo Kendall zu Abend aß, und dann Pete verführt. Sie sagten gestern abend , Sie hätten sich nicht der Mühe unterzogen,
Kendall zu erklären, was geschehen sei, denn er hätte Ihnen doch nicht
geglaubt?«
»Stimmt!«
sagte sie kalt.
»Sie
sind einfach aufgestanden, haben sich angezogen, ihre Sachen gepackt und sind
aus dem Haus gegangen?«
»Ja.«
»Sie
lügen«, sagte ich müde.
»Was,
zum Teufel, meinen Sie damit — ich lüge?« sagte sie heftig.
»Es
ist ganz unmöglich, daß jemand unter diesen Umständen auf eine solche Weise reagiert.
Wenn Sie so hereingelegt worden wären, wie Sie behaupten, wären Sie vor Wut in
Weißglut geraten, so rabiat, daß Sie nicht aufgehört hätten, Antonia und ihren
Freund zu beschuldigen, bis Sie buchstäblich von ihnen aus dem Haus geworfen
worden wären.«
»Hören
Sie auf, den Westentaschenpsychiater zu spielen!« fauchte sie. »Ich habe Ihnen
die Wahrheit erzählt.«
»Auch
wenn Sie mir die Wahrheit erzählt haben, haben Sie trotzdem gelogen.« Ich
grinste flüchtig. »Eine Lüge, die dadurch entsteht, daß etwas weggelassen wird,
wie Rafe Kendall so treffend bemerkte.«
»Ich
höre Ihre Worte.« Sie seufzte schwer. »Aber ich kann nach wie vor ihren Sinn
nicht erkennen.«
»Sie
haben nicht einmal versucht, die Wahrheit über das, was geschehen ist, zu
erzählen, denn wenn Sie es tun würden, würde etwas anderes passieren, etwas,
das in Rafe Kendalls Augen ebenso schlimm wäre, so
daß das Resultat dasselbe sein würde. Er würde Sie nach wie vor aus dem Haus
geworfen haben.«
»Sie
sind ein Träumer, Holman «, sagte sie verächtlich. »Sie
klammern sich an Strohhalme, die nur in Ihrer eigenen krankhaften Phantasie
existieren.«
»Vielleicht
verlange ich zuviel «, gab ich zu. »Der Teufel soll
das Ganze holen! Ich sollte mich entspannen und meinen Drink genießen und
vielleicht meine Absicht ändern, was Ihr großzügiges Angebot, mir für die
Errettung vor Pete Reiner danken zu wollen, anbetrifft. Sie wollten Ihre
Dankbarkeit auf mehr praktische Weise beweisen, sagten Sie?«
Sie
lächelte unsicher. »Ich glaube, das habe ich gesagt.«
Ich
lehnte mich zurück und entspannte mich, dann legte ich meine rechte Hand auf
ihren Oberschenkel und spürte, wie er unter meiner Berührung erstarrte. »Sie
sind eine Wucht, Jackie«, sagte ich vergnügt. »Und was könnte mir besseres passieren,
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