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Bis bald, Sharma!

Bis bald, Sharma!

Titel: Bis bald, Sharma! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Bhullar
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versteckten Anruf mitgehört? Ich liebte ihn einfach ZU SEHR, das war mein Fehler! Warum ließ ich ihn nicht einfach so, wie er war? Er akzeptierte mich doch auch so, wie ich war, verdammt, ich verhielt mich wie eine blöde Kuh, ich hasste mich dafür! Wie viele Jahre würde es noch dauern, bis ich mein Vertrauen wiedererlangen würde?
     
    Ich hatte auch noch viele andere Sorgen, die mir, wenn ich allein in Regensburg war, mein Hirn zermarterten. Ich hatte in den ersten Tagen alle für die Heirat erforderlichen Papiere zusammengetragen: eine beglaubigte Geburtsurkunde aus meiner Geburtsstadt, zwei beglaubigte Ablichtungen aus meinem Familienbuch mit den Scheidungen, die Aufenthaltsbescheinigung und mein Scheidungsurteil. Als ich das Ehefähigkeitszeugnis beantragen wollte, sagte man mir auf dem Standesamt, das bekäme ich in Salzburg und nur zusammen mit den Unterlagen meines zukünftigen Mannes. Ich war überrascht. Jetzt mussten wir erst auf Sharmas Papiere warten und da bewegte sich noch gar nichts. Seit Anfang August bemühte sich mein Liebling telefonisch, die Papiere zu bekommen, aber Indiens Mühlen mahlen langsam.
    Zuerst erfuhren wir, dass alle Ämter den ganzen August über wegen Urlaub geschlossen waren. Aha! Die machen es sich leicht. Dann war sein Bruder nie zu erreichen - oder seine Mutter - und die Schwägerin stellte sich am Telefon dumm, sie hätte keine Ahnung. Das Schlimmste aber war, dass tagelang, ja wochenlang diese blöde „ Hellocard“ nicht funktionierte und Sharma nach Indien einfach nicht durchkam. Nach ein paar Tagen war wie von Geisterhand das gesamte Guthaben auf einmal verbraucht. Er musste sich eine neue Karte kaufen und das Spiel begann von vorne! Endlich hatte er eines Tages eine Verbindung nach Amritsar und bekam doch tatsächlich seinen Bruder, der Lehrer war, ans Telefon. Sein Scheidungspapier lag schon bereit, aber nach indischer Sitte stand nur sein halber Name drauf, also sein Vorname und die Sikhbezeichnung „Singh“. Sein richtiger Nachname war auf diesem wichtigen Papier überhaupt nicht vermerkt. Damit würde er in Österreich riesige Probleme bekommen, denn der Nachname war das Wichtigste im Leben eines Standesbeamten oder für die Botschaft. Oh, mein Gott! Nachträglich durfte auch nichts auf dem Dokument verändert werden, da es sonst gefälscht wäre. Wie konnten Inder bloß ohne Nachnamen leben? Eine neue Welt tat sich für mich auf. Denn wenn in Deutschland, und sicher auch in Österreich, nur ein einziger Buchstabe in einem Namen falsch ist, wenn also anstatt Marie-Luise Maria-Luise steht, wird die Identität der Person schon in Frage gestellt. Wie schwerwiegend musste da erst ein fehlender Nachname sein. Wir waren total verzweifelt! Das würde sicher lange, lange dauern, Sharmas Identität zu prüfen. Bis dahin würden meine Haare grau werden und Sharmas Zähne ausfallen.
    Das Einzige, w as wir hatten, war unsere Liebe. Und diese Liebe mussten wir heilig halten wie einen seltenen Schatz, niemand durfte sie auch nur ankratzen, keiner sie in Frage stellen. In meinem Herzen wusste ich ganz genau, dass ich wirklich meinen Traummann gefunden hatte. Ich dachte oft über meine Liebe zu ihm nach und fragte mich, warum ich ihn so liebte. Was war der Grund dafür, dass ich ihm so verfallen war? Es war sicherlich nicht der Sex, denn er stürzte sich nie wie eine ausgehungerte Hyäne auf mich, sondern verteilte seine Sexualität genauso bedacht, wie er Bananen aß. Es musste also etwas anderes sein, weshalb ich ihn so sehr liebte. Genau - es war sein Charakter. Ich konnte beim besten Willen keine schlechte Charaktereigenschaft an ihm entdecken. Sharma war immer gelassen und ruhig, er war sensibel und einfühlsam, humorvoll und spritzig, freigiebig aber auch sparsam, aufmerksam und liebevoll. Seine brillante Intelligenz und seine Geistesblitze überraschten mich immer wieder aufs Neue. Er konnte Situationen ganz schnell überblicken und Resultate daraus ziehen, die mich oft verblüfften. In meinen Augen war er auch ein wunderschöner Mann und sein guter Charakter strahlte in seinen Augen wider. Er rauchte nicht und trank keinen Alkohol, er ernährte sich gesund und meist vegetarisch, er pflegte seinen Körper, schnippelte stundenlang an seinem Bart herum, schnitt seine Nasenhaare ab, hatte nie schmutzige Fingernägel oder Achselgeruch und auch keine Käsefüße.
    Aber irgendwo wollte ich doch eine Schwachstelle an ihm entdecken - wo war sie? Spielte er mir nur alles vor?

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