Bis bald, Sharma!
immer und immer wieder dort hinfahren. Auch dieses Mal klappte es nicht, der Chef hatte „keine Zeit“. Ich regte mich furchtbar auf und wollte mit dem unmenschlichen Chef sprechen, aber Sharma beruhigte mich, er wolle sowieso eine andere Arbeit annehmen. Im strömenden Regen liefen wir nach Hause und vor dem Haus stand die Tochter der Vermieterin mit einer dicken Brille auf der Nase und sagte uns frech ins Gesicht:
„Sie, Herr Sharma, ich hab Ihnen doch gesagt, Sie dürfen nur allein in dem Zimmer wohnen, die da hat gar nichts hier zu suchen. Sie hat sich bei Ihnen einquartiert, die soll so schnell wie m öglich wieder raus, verstanden?“
Wir waren beide starr vor Entsetzen.
„Das ist meine zukünftige Frau, sie besucht mich nur für ein paar Tage hier in Salzburg, sie wohnt nicht hier, sie hat sel bst eine Wohnung in Deutschland“, versuchte Sharma zu beschwichtigen.
„Nein, das geht nicht, zwei Leute verursachen zu hohe Nebenkosten. Sie ist schon öfter da gewese n, das erlaube ich Ihnen nicht. Dann suchen Sie sich gefälligst ein anderes Zimmer, haben Sie mich verstanden?“
„E inverstanden, das werde ich tun“, sagte Sharma mit stolz erhobenem Kopf.
Ich war den Tränen nahe. Jetzt würden wir wieder keine Bleibe haben. Ich konnte meine Tränen nicht zurückhalten und weinte hemmungslos.
„Mein Gott, Jasmin, du brauchst doch nicht weinen, du bist doch kein Kin d. Wir finden schon eine Lösung. Mein Freund Jagir hat ab Oktober eine neue Wohnung und ihn werde ich fragen, ob wir da eine Woche zusammen wohnen können, ja?“, tröstete mich Sharma.
Aha, ich hatte schon geahnt, dass mich die Vermieterin beim Gang zur Toilette gesehen oder gehört hatte. Sharma meinte, sie habe nicht zwei, sondern vier Augen. Jetzt wollte ich gar nicht mehr zur Toilette gehen. Am liebsten hätte ich mir einen Nachttopf aus dem Altenheim geliehen und dahinein gepinkelt. Ich war komplett am Boden zerstört.
Am Abend verkaufte mein Liebling bei strömendem Regen vor einer Brücke Tageszeitungen, um Geld zu verdienen, während er mich ins Biobistro schickte, damit ich dort bei seinen indischen Freunden essen konnte. Für ihn sollte ich ein wenig Essen in einer Plastikschüssel mitbringen. Ich war gerührt über seine fürsorgliche Art. Als ich mit dem Essen fertig war, hielt ich es nicht länger im Bistro aus und eilte mit einem Regenschirm zu meiner Liebe. Mager und mit vom Wind zerzausten Haaren stand er bei der Brücke an der Straße in seinem blauen Regencape, auf dem „Salzburger Nachrichten“ stand, und winkte den vorbeifahrenden Autos mit der Zeitung. Nur gelegentlich kaufte ihm jemand eine ab. Er sagte, er schäme sich für diese Arbeit. Nicht einmal sein Vater habe so eine niedere Arbeit gemacht.
Ich steckte ihm einen Bioriegel in den Mund und küsste seine eisig kalte Wange. Bis 23 Uhr sollte er an dieser zu gigen Ecke stehen, obwohl sowieso keine Leute mehr auf der Straße waren. Endlich war er fertig. Er verstaute die restlichen Zeitungen in seinem Rucksack und wir schlenderten heim in unser, für mich verbotenes Kellerloch-Rattenzimmer, in dem sich nicht einmal Ratten wohl gefühlt hätten.
In dieser Nacht grämten wir uns vor Kummer und Sorgen. Wie würde es nun wohl weitergehen? Wo könnten wir wieder zusammen k ommen? Wieder Hotelzimmer? Nein. Wir wälzten uns im Bett hin und her und konnten einfach nicht einschlafen. Der Vollmond blickte hell und mild in unser Kellerzimmer, eng umschlungen schliefen wir dann doch irgendwann ein.
Der Morgen begrüßte uns wieder mit Regen und nach einem herrlichen Frühstück mit Vollkornbrot, Mandelmus, Honig, Bananen und Ingwertee wanderten wir den langen Weg wie immer von Salzburg-Gnigl über die scheußlich lange, mit vorbeidonnernden Autos volle Brücke stadteinwärts zum Baumarkt, wo mein Traumprinz wieder „Salzburger Nachrichten“ verkaufen musste. Ich kaufte derweil für meinen Schatz eine putzig kleine Nachttischlampe in Rot, damit wir das schreckliche Neonlicht im „Luxus-Rattenzimmer“ nicht benutzen mussten. Er hatte mit seinem Freund Jagir gesprochen und der bot ihm netterweise an, in seiner neu gemieteten Wohnung für jeweils eine Woche mit mir zusammen wohnen zu könnten. Wir waren überglücklich.
„Ich sterbe ohne dich, Jasmin“, sagte Sharma und schaute mich aus traurigen Augen an.
„Ich ohne dich genauso“, flüsterte ich und schmiegte mich eng an ihn. Der Vollmond lächelte uns zu.
Wir hatten ausgemacht, dass ich trotz
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