Bis bald, Sharma!
der Drohungen die restlichen drei Tage bleiben sollte, auch wenn ich mich dabei nicht wohl fühlte. Wir gingen wieder zum Standesamt und fragten nach, wie lange es noch dauern würde, bis wir dieses verflixte Ehefähigkeitszeugnis bekämen. Die gleiche Antwort wie das letzte Mal: drei bis vier Wochen, aber erst zu beantragen, nachdem sämtliche Papiere meines zukünftigen Ehemannes da wären und das könne Monate dauern, weil jedes Papier hundertmal geprüft werden müsste, von dieser Botschaft und von jenem Gericht.
Gott sei Dank hatten wir auch ein erfrischendes Erlebnis in dieser Stadt. Es gab dort auf dem Marktplatz einen kleinen Stand, wo man sich mit Gewändern aus dem 19. Jahrhundert verkleiden konnte und sich von einer Fotogra fin mit einer uralten Kamera, bei der man noch unter ein schwarzes Tuch schlupfen musste, ablichten lassen konnte. Ich war hellauf begeistert. Schon als kleines Kind hatte ich mich immer gern verkleidet. Ich suchte in der Vielzahl herrlicher alter Kleider und Anzüge für Sharma und mich ein paar schöne Sachen aus und die Frau half uns beim Anziehen. Da standen wir nun im hell strahlenden Scheinwerferlicht in unseren noblen Kleidern. Ich hatte für mich ein langes, rosa glitzerndes Kleid mit schwarzer Spitze und Taftrock ausgesucht. Mir wurden lange, durchsichtige Glacéhandschuhe übergestreift und auf meinem Kopf thronte ein riesiger schwarz-rosa Hut mit Blumen und Federn. Dann drückte mir die Frau einen filigranen, durchsichtigen, kleinen Sonnenschirm in die Hand, den ich aufspannen sollte. Fertig war die Dame von Welt. Und wer stand da neben mir? Mein Sharma als Fürst von Hohenzollern? Er trug einen braunen Samtanzug mit weit ausladendem Kragen, darunter ein nostalgisches Hemd mit Stehkragen und Fliege. Seinen Kopf zierte ein richtiger schwarzer Zylinderhut und in seinen beiden Händen lag galant ein Gehstock mit Goldknauf. Seine samtbraune Haut bildete einen herrlichen Kontrast zu dem weißen Rüschenhemd. Ich platzte fast vor Stolz. Wie Kleider doch Menschen verändern können.
Die Fotografin machte zwei große, wunderschöne Auf nahmen von uns. Auf der einen lachen wir uns beide so herzlich an - ja, man kann sehen, wie sehr wir uns lieben. Als ich das Foto sah, dachte ich sofort, dass dieses Foto wie für das Buch gemacht sei, in dem die Geschichte unserer Liebe erzählt wird. Falls ich es jemals schreiben und veröffentlichen sollte, wäre es das Umschlagsbild.
Wir blieben bei jedem Maler und jedem Musiker stehen und genossen deren Kunst. Wir entdeckten einen Scherenschnitt-Künstler, der in Windeseile mit einer kleinen Schere aus schwarzem Papier ein Profil zaubern konnte. Wir wunderten uns über den russischen Porträtmaler, der zunächst von seinem Modell ein Negativbild schuf und daraus Strich für Strich ein perfektes Positiv entstehen ließ. Ein Pianist hatte sein Klavier auf Rollen angeschleppt und spielte wie Beethoven selbst. Ein mit silberner Farbe von Kopf bis Fuß angestrichener Pantomime versperrte den Fußgängern den Weg, imitierte sie frech und lachte sich darüber kaputt. Eine Bäuerin in Landestracht versuchte, ihre selbst gemachten Marionetten an den Mann zu bringen und ein Chinese in einem zitronengelben Clownkostüm jonglierte eine ganze Kücheneinrichtung auf seiner Nase. Ein einsamer Maler bot Miniaturaquarelle zum Verkauf an und eine seltsame Musik erklang aus den Mündern und Instrumenten einer chinesischen Straßenband. Auf einem überdimensional großen, auf das Pflaster gepinselte Schachbrett spielten Groß und Klein mit riesigen Figuren Schach. Gleich nebenan entlockte ein Künstler seiner Gitarre elegische, herzzerreißende Liebesklänge.
Buntes Straßentrei ben und unsere Liebe mittendrin.
Am letzten Tag unseres einwöchigen Zusammenseins gingen wir in dem indischen Biobistro essen. Wir führten lange Gespräche über gegenseitiges Vertrauen. Sharma hatte uneingeschränktes Vertrauen zu mir, er dachte im Traum nicht daran, dass ich mich jemals mit einem anderen Mann treffen könnte. Oh, Vertrauen! Ein riesiges Problem für mich.
Sharma bekam auf seinem Österreich-Handy viele Anrufe und jedes Mal durchzuckte es mich, als ob mich ein Blitz getroffen hätte. Bei jeder winzigen Kleinigkeit wurde ich hellhörig. War es eine Frau, die da am anderen Ende der Leitung mit ihm sprach? Hörte ich ihn in meiner Anwesenheit mit dem Anrufer in seiner Landessprache reden - dann war ich ruhig. Aber kaum sprach er Deutsch, wurde ich innerlich wie
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