Bis bald, Sharma!
ein kleines Kind in seinen männlichen Armen - ja in solchen Situationen wäre ich gerne gestorben - und sagte mir immer und immer wieder, wie sehr er mich liebe. Manchmal weinte ich vor Glück und machte seine vielen seidigen Brusthaare ganz nass. Dann waren wir ganz still und lauschten unserer Liebe, was sie uns sagte. In solchen Momenten fühlte ich mich wie im Himmel! Arm in Arm schliefen wir ein und ließen uns in unsere Traumwelt entführen.
Aber unser gemeinsames Glück sollte nicht von Dauer sein! Jagir, der wegen uns eine Woche bei seinem Freund lebte, sagte, er könne nicht mehr länger woanders schlafen und ich könne nicht mehr so oft zu Sharma kommen, weil er seine Wohnung wieder für sich bräuchte. Wir schauten uns entgeistert an. Aha, die letzten paar Wochen hatte uns das Schicksal eins ausgewischt! Sollte uns das Gleiche passieren, wie vorher im „Rattenzimmer“? Jagir teilte uns nämlich auch mit, dass die Vermieterin bemerkt habe, dass ich auch mit in der Wohnung wohnte. Und das werde sie nicht erlauben! Es wäre der Eindruck entstanden, dass ich dort wohnte, weil ich mich sooft dort aufhielt.
Wir waren total verzweif elt. Wir wussten uns keinen Rat. Was sollten wir tun? Wir hatten keine Wohnung. Wir konnten nicht in Eiseskälte auf der Straße schlafen. Wieder ins Hotel zu gehen, wäre viel zu teuer gewesen. Ich war so verzweifelt, dass ich nicht einmal weinen konnte. Ich stand regelrecht unter Schock. Sein Mitbewohner meinte es wirklich ernst. Sharma würde sich noch in diesem Monat dort abmelden und nach einem anderen Zimmer umsehen müssen. Wir brauchten dringend eine Wohnung, das heißt, vor allem eine Anmeldung, damit wir überhaupt heiraten konnten. Ohne Meldung war das nicht möglich. Mittlerweile hatten wir November. Die Papiere würden sicher in zwei Wochen ankommen, oder Rampal, sein Bruder, würde sie höchstpersönlich aus Indien mitbringen. Sollte er sie nicht dabeihaben, dann, so hatte ich Sharma versprochen, würde ich selbst in seine Heimatstadt Amritsar fliegen, koste es mich, was es wolle. Er würde nicht mit mir mitkommen können, weil er Österreich nicht verlassen durfte. Ihm waren Hände und Füße gebunden. Er vegetierte wie ein Gefängnisinsasse vor sich hin und wenn ich nicht bei ihm war, ging es ihm noch schlechter. Über allem stand aber unsere große Liebe und sie konnte bekanntlich Berge versetzen. Wir überlegten hin und her, unsere Köpfe rauchten, wir wussten uns keinen Rat. Es wäre total unsinnig, wenn Sharma sich für diese paar Wochen noch ein neues Zimmer nehmen würde. Diesen Abend hatte ich keine Kraft mehr, über das Problem nachzudenken. Ich machte mit Sharma einen langen Abendspaziergang in der frischen Luft, wir gingen im Biorestaurant essen, machten uns zuhause einen Ingwertee und kuschelten uns mit einer Wärmflasche in unser Bett. Diese Nacht hatte ich schreckliche Träume. Ich träumte, dass ich von einem hohen Berg heruntergefallen und gestorben sei. In diesem Traum war der Tod für mich angenehm. Ich flog ziellos als körperloses Wesen im Weltall herum. Ich fühlte mich zwar verloren und suchte nach meiner Liebe, aber im Traum erinnerte ich mich, dass ich ja gestorben war.
Auch am nächsten Tag fanden wir keine Lösung. Wir waren beide erschöpft und wollten einfach nur in Frieden leben, aber das war uns nicht vergönnt.
„Warum bin ich überhaupt mit dunkler Haut auf die Welt gekommen - warum bin ich in Indien geboren und du in Deutschland? Es ist nicht meine Schuld, dass ich in Indien geboren wurde, und ich kann nichts dafür, dass meine große Liebe hier in Deutschland wohnt. Warum können die Men schen aller Nationen nicht da leben, wo sie wollen? Warum gibt es Grenzen, Vorschriften, Verbote? Mein Herz tut mir weh, wenn du mich immer wieder verlassen und nach Deutschland reisen musst. Ich will mit dir zusammenbleiben - immer! Ich will dich nicht mehr wegfahren lassen, aber du siehst, wir haben nun keine Wohnung mehr“.
„Nur noch drei Wochen, Liebling, dann nehme ich dich mit nach Deutschland, auch wenn wir noch nicht verheiratet sind, ja? Ich kann auch nicht ohne dich leben, meine süße Liebe. Ich kann nicht schlafen, ich kann nichts essen, es schmeckt mir ohne dich nicht, ich laufe wie eine Traumwandlerin in der Stadt herum und mein Gesicht wird immer länger aus Gram und Enttäuschung. Viele Leute haben uns zusammen glücklich Arm in Arm spazieren gehen gesehen und jetzt schauen mich Bekannte schief an. ’Na, wo ist
Weitere Kostenlose Bücher