Bis bald, Sharma!
Recht? Denn kein Mensch kann so etwas auf längere Zeit ertragen. Ich möchte mit dir das Glück unserer Liebe genießen und nicht Vorwürfe, die unbegründet sind, hören müssen.“
Er hatte Recht. Ich schämte mich insgeheim. Aber wie konnte ich mein Verhalten ändern? Warum half er mir nicht? Er könnte mich in die Arme nehmen, wenn ich wieder einmal einen Anfall von Misstrauen habe und mir erklären, dass all meine Zweifel unbegründet sind. Dies tat er auch manchmal, aber nicht intensiv genug. Wenn ich schon Öl ins Feuer schüttete, dann müsste er die Kraft haben, dieses Lodern zu löschen. Aber er war nicht stark genug. Er war ein empfindsamer Mensch, der in sich selbst gefangen war. Manchmal lockte ich ihn aus seiner emotionalen Gefangenschaft, dann übertrieb er gewaltig. Dann überschüttete er mich mit Liebesschwüren und Lobeshymnen, die ich natürlich sehr genoss. Genauso verhielt es sich mit unserer Sexualität. In Indien ist Sex tabu, er wird nur versteckt gemacht und nur, wenn Mann und Frau verheiratet sind. Aber auch dann ist er nur dazu da, Kinder zu machen. Sex aus purer Leidenschaft ist in Indien unbekannt, ja verpönt. Bei uns ist das anders. Wir wussten von vorneherein, dass wir keine Kinder mehr ins Leben setzen wollten und so machten wir nur des Genusses wegen Sex. Sharma hatte noch nie in seinem Leben Sex so erlebt wie mit mir. Er konnte vollkommen frei sein. Es hatte sich noch nie eine Frau auf ihn draufgesetzt und ihn verführt. Es hatte noch nie eine Frau seinen Penis in den Mund genommen und mit aller Hingabe geküsst und liebkost. Auch beim Orgasmus blieb er früher stumm, das hatte er jetzt verändert. Er gab seinem sexuellen Genuss Ausdruck. Es kam wie ein Vulkan aus ihm heraus. All seine unterdrückte Sexualität konnte er mit mir auf extremste Weise ausleben - und ich mit ihm. Was würde passieren, wenn er sie eines Tages ausgelebt hätte? Würde er dann seiner Kultur gemäß wieder ein „braver“ Inder werden? Würde er dann zurück zu seinen Gewohnheiten gehen und mit fünfzig oder sechzig Jahren eine junge Frau, vielleicht aus seiner Heimat, nehmen, und ihr das letzte Kind machen, oder zwei? Mir graute davor. Wo blieb ich dann? Als Zweitfrau und seine private Masseurin und Psychologin und Sexkünstlerin neben ihm her leben dürfen? Keine Macht der Welt könnte jemals einen Mann zurückhalten, wenn er sich entscheidet zu gehen oder sich eine andere Frau nimmt. Ich könnte mir ein Messer an den Hals setzen und mit Selbstmord drohen, dann würde er aus Mitleid bei mir bleiben, aber trotzdem seinen Weg gehen und ich müsste zusehen, wie er sich mit der jungen Frau vergnügt.
War ich jetzt komplett verrückt geworden? Hatte ich vergessen, dass er mich liebte, wie mich kein Mann in meinem Leben je geliebt hatte? Obwohl mir das Schreiben Erleichterung brachte, dachte ich auch darüber nach, dass vielleicht gerade das geschriebene Wort mein Schicksal beeinflussen könnte. Wenn ich etwas Negatives schrieb, dann blieb es ja in dieser Welt und würde vielleicht Einfluss auf mein Leben nehmen können. Ich versuchte, immer positiv zu denken, aber es gelang mir nicht immer.
Jetzt hatte die Hoffnungslosigkeit ihren Höhepunkt er reicht. Ich konnte nicht mehr zu meiner Liebe fahren, weil wir kein Zimmer mehr hatten! Jagir hatte Sharma nun endgültig aus seiner Wohnung entfernt.
In mein Tagebuch schrieb ich Ende November:
Liebling, mein Herz hört nicht auf zu wei nen. Ich liege im Bett wie zu Eis gefroren und habe keine Gefühlsregungen mehr. Ich empfinde nicht einmal Wut, nur eine große Traurigkeit, die ich nicht kontrollieren kann. Sie ist einfach da und frisst mich von innen auf. Ich bin ihr ausgeliefert. Sie ist in mir wie eine große Wunde, in die man unaufhörlich hinein stochert. Ich weiß nicht, wie ich mich schützen kann. Ich habe keine Lösung für unser Problem. Ich wollte dich am 1. Dezember mit dem Auto abholen, du warst einverstanden, es war dein sehnlichster Wunsch, aber mein Gefühl sagt mir, wenn ich zu dir komme und dich abholen will, dann sagst du: „Warten wir noch ein bisschen, die Scheißpapiere kommen doch in vier Tagen.“ Aber wo schlafe ich dann? Natürlich muss ich heimfahren - ohne dich, dann war die Fahrt mit dem Auto zu dir sinnlos. Du kennst nicht meine Qualen, die mich Nacht für Nacht im Bett überfallen und mich nicht schlafen lassen. Du hast geschrieben, dass du ohne deine Jasmin nicht schlafen kannst, aber du schläfst doch - das
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