Bis bald, Sharma!
Salzburg rumhängen? Er war sowieso schon so gut wie am Ende. Ich erschrak über sein Äußeres, als ich ihn am Bahnhof sah. Er war abgemagert, seine Backen waren eingefallen und seine süßen Grübchen zu Falten geworden. Unter seinen schönen braunen Augen lagen tiefe schwarze Schatten und er ließ beim Gehen seinen Kopf hängen. Aber seine Augen erzählten mir alles. In den drei Wochen, in denen ich nicht bei ihm war, hatte er unheimlich gelitten und riesige Probleme zu bewältigen gehabt. Er hatte von heute auf morgen keine Wohnung mehr, nur aus Gnade ließ ihn Jagir noch bis Ende November bei sich wohnen und er musste „Duckmäuser“ spielen. Alles, was Jagir von ihm verlangte, machte er, aus Angst, dass er ihm endgültig die Wohnung verweigert und er dadurch keine Möglichkeit mehr hätte, mit mir ein paar Tage zusammen zu verbringen. Es war eine schreckliche Situation. In seinen traurigen Augen spiegelte sich sein ganzes Leid wider. Ich sah es deutlich.
Unser Plan war also, dass ich Sharma heimlich mit nach Deutschland nehme. Wir überlegten, ob es mit dem Zug gefahrlos ist, aber Sharma meinte, dass am Bahnhof, vor allem in Österreich, überall Polizisten herumhängen würden, die ihn kontrollieren könnten und da er ja nicht in ein anderes Land reisen durfte, mussten wir uns etwas anderes einfallen lassen. Ich sollte in Deutschland ein Auto mieten und ihn abholen, aber da mittlerweile Schnee gefallen war und es schon nachmittags nebelig wurde, getraute ich mich nicht, ihn über einsame Landstraßen nach Germany zu schippern. Er hatte mir hoch und heilig versprochen - es war absolut sein Wunsch und seine Idee gewesen - am 1. Dezember mit mir zu kommen, damit wir hier in Deutschland Weihnachten feiern und in aller Ruhe auf die Papiere warten könnten. Ich wollte es nicht glauben, ich war verrückt vor Freude. Mein Sharma bei mir in meiner Wohnung in Deutschland. Wahnsinn!
Wir bereiteten alles vor. Als ich die drei kurzen Tage bei ihm war, packte ich alle wichtigen Sachen in meine Reise tasche, damit wir bei unserem Fortgang nicht so viel mitnehmen mussten. Er gab mir alles mit, was sich im Laufe der Zeit bei ihm angesammelt hatte und was er wie ein Hamster gesammelt hatte. Kerzen, Tempo-Taschentücher, Kugelschreiber, Feuerzeug, Fotos, Bücher, Gewürze, Stadtpläne – ja, sogar selbst gemachte Chapatis wollte er mir mitgeben. Er gab mir alles mit, weil er sich in dieser Wohnung absolut nicht mehr zuhause fühlte, er wollte nur noch bei mir sein. Den gleichen Wunsch hatte auch ich und ich konnte gar nicht glauben, dass er sich wirklich dazu entschlossen hatte. Die lange Zeit unserer Trennung war wie eine große Durststrecke, die uns schwer zu schaffen machte. Unsere zarte Liebe hatte im Frühling erst begonnen und wir wollten, dass sie sich langsam entwickelte, aber das Schicksal riss uns brutal auseinander. Die Trennung glich einem Faustschlag ins Gesicht, es war kein Schutz möglich. Unsere Liebe hatte gleich am Anfang große Probleme zu bewältigen. Unsere Liebe war nicht wie das Dahingleiten in einer Schiffschaukel, sondern sie glich eher einem Fall aus großer Höhe in unbekannte Tiefen.
Aber noch war die Zeit nicht gekommen, zusammen zu sein, das größte Problem lag vor uns: Heirat eines Inders mit einer Deutschen in Österreich.
Ich wusste , welche Odyssee uns bevorstand. Ich kannte die Gemächlichkeit und Sturheit der österreichischen Ämter. Sie waren keinen Deut besser als die deutschen. Am meisten machte mir das Ehefähigkeitszeugnis Kopfzerbrechen. Warum musste man Ehefähigkeit beweisen? War ein Scheidungsurteil nicht genug? Und durfte ich nach der Heirat meinen geliebten Inder einfach von Österreich nach Deutschland mitnehmen? Natürlich nicht. Man brauchte ein Visum zum Zwecke der Familienzusammenführung. Ich konnte diese Ausdrücke nicht mehr hören. Mühlen der Bürokratie!
Ich erwachte aus einem schrecklichen Traum. Sharma, mein Liebster, ging zurück nach Indien, weil dort seine neue Frau auf ihn wartete. Ich fragte ihn im Traum, warum er mir das nicht gesagt hatte, seine Antwort war, wie schon so oft: „Jasmin, ich will dich nicht verletzen.“
Ich hasste diese Träume, warum quälten mich meine eige nen Träume nur so? War ich im Wachzustand nicht klar mit Sharma? Was wollten mir meine Träume mitteilen? Waren meine Träume eine Warnung? Vielleicht sollte ich Sharma nicht vertrauen? Oder waren Träume nur Schäume, wie meine Mutter immer sagte. Ich erzählte
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