Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis bald, Sharma!

Bis bald, Sharma!

Titel: Bis bald, Sharma! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Bhullar
Vom Netzwerk:
aber du vertraust mir nicht. Ich habe kein Herz aus Stein, ich bin auch ein Mensch, obwohl meine Haut dunkel ist. Du bist meine Liebe und deine Verletzungen zerreißen mir mein Herz.“
    Ich hatte keine Worte, saß zusammengesunken auf mei nem Stuhl und weinte. Was sollte ich bloß machen? Konnte ich diese verrückte Geschichte glauben? Wenn sie wahr war, warum versteckte er dann das Geld vor mir? Wenn man einen Menschen liebt, dann teilt man ihm alles mit, oder?
    „Vielleicht bist du ja von der Kriminalpolizei, weil du ständig alles von mir wissen willst, wie viel Geld ich habe, was ich gegessen habe, wo ich gewesen bin, wie viel Mal ich gefurzt habe und was ich denke. Ich muss jetzt Angst haben vor dir, ich weiß nicht, was du in meiner Wohnung machst, wenn ich nicht da bin. Was willst du von mir herausfinden, Jasmin-Polizei? Meine Liebe zerstörst du mit deinem Misstrauen, merkst du das nicht?“, warf er mir mit angsterfülltem Blick vor.
    Ich weinte vor mich hin. Über die angekommenen Papiere sprachen wir überhaupt nicht. Es war, als wären sie gar nicht angekom men, ich freute mich nicht - und später sollte ich erfahren, dass meine Gleichgültigkeit den angekommenen Papieren gegenüber Sinn machte.
     
    Am Spätnachmittag, als wir uns ein wenig beruhigt hatten, telefonierten wir mit Sharmas Bruder in Regensburg. Und die Überraschung war perfekt. Die Papiere waren falsch. Die indischen „Sesselfurzer“ hatten eine vollkommen andere österreichische Adresse eingetragen. Sharma wohnte den Papieren zufolge in Wien und nicht in Salzburg. Es wurde auch ein komplett falscher Straßenname angegeben. Sharma war am Boden zerstört. Er schrie am Telefon mit seinem Bruder, rief sofort Indien an und schimpfte auch mit seinem anderen Bruder, wieso dieser Fehler passieren konnte. Tausendmal hatte er in Indien angerufen und tausendmal die richtige Adresse buchstabiert. Waren Indiens Bürohengste so unkorrekt? Sharma vermutete, dass zwei verschiedene Adressen vertauscht wurden und dadurch wäre es zu der falschen Angabe gekommen.
    Aber egal - die Papiere waren sowie so unbrauchbar. Fünf Monate hatten wir gewartet und gelitten. Jetzt konnten wir weitere fünf Monate warten, vielleicht noch länger und meine Papiere, die schon seit September fertig in meiner Schublade warteten, würden nach sechs Monaten ungültig werden.
    Sharma war richtig sauer.
    „Was will Gott mit mir, warum macht er so was mit mir? Warum - um Himmels Willen - haben die da eine falsche Adresse reingeschrieben? Ich kann nicht mehr, Jasmin! Das ist, wie wenn Goldgräber einen Berg aufgraben, um Gold zu finden und da kommt nur eine riesige, eklige Ratte heraus. Jasmin, bitte sage mir, was wir machen sollen, bitte, ich kann nicht mehr!“
    „Wir probieren es. Wir gehen mit diesen Papieren zum Standesamt, sagen denen, dass die in Indien und nicht wir einen Fehler gemacht haben und ob sie die Adresse in die aktuelle verändern könnten. Das Wichtigste ist, dass alles andere richtig eingetragen ist. Dein Name ist richtig, dein Geburtsdatum, dein Scheidungsurteil, deine Ledigkeitsbescheinigung, alles ist perfekt. Wir haben doch deine aktuelle Anmeldung von Salzburg, was ist das Problem, Sharma? Wichtig sind nur deine Angaben von Indien. Dass du hier wohnst und gemeldet bist, kann man leicht nachvollziehen, oder nicht? Für was haben wir den Meldezettel vom Salzburger Magistrat?“
    Als ich später die zerfledderten Papiere in den Händen hielt, musste ich wirklich lachen über die Ironie des Schicksals. Indien hatte Sharma wirklich eine äußerst kreative Adresse gestrickt. Nach Ansicht der indischen Beamten lebte Sharma in Wein in der Deresdener Straße. Wein – anstatt Wien.
    Wir saßen auf dem Bett, hielten unsere Hände und schwo ren uns, dass wir zusammenbleiben wollten. Kein „Wein“ konnte uns auseinanderbringen. Wir mussten unser Glück versuchen. So fuhr ich nach Regensburg zurück, Sharma fuhr nicht mit, und ich holte die Papiere von seinem Bruder ab. Ich hatte solche Papiere noch nie gesehen. Die Dokumente waren braun und so weich und zerfleddert, dass ich dachte, sie müssten jeden Moment zu Staub zerfallen. Ein Zertifikat sah so aus, als ob man mit einem Hobel eine dünne Schicht von einem Baum abgetragen hätte. Das darin enthaltene Wasserzeichen glich dem Geschmiere eines Kindes, dem man Mehlpampe und Pinsel in die Hand gedrückt hatte. Tausend Stempel prangten überall wahllos. Je mehr Stempel, desto wichtiger. Seine Mutter hatte auf

Weitere Kostenlose Bücher