Bis bald, Sharma!
holen, den er ja nicht bei sich tragen durfte. Ich sollte also wieder nach Regensburg fahren. Es war sieben Tage vor Weihnachten und ich machte mich zum hundertsten Mal auf, wieder nach Hause zu fahren. Der Stress hatte bei mir Spuren hinterlassen. Ich war total krank geworden. Ich hustete und konnte nicht schlucken, hatte Fieber und eine starke Erkältung. Ich sollte also seinen Pass holen und wir wollten noch einmal probieren, ob wir bei der Botschaft damit nicht wenigstens die Geburtsurkunde und den Staatsbürgerschaftsnachweis bekommen könnten.
Als ich zuhause war, merkte ich, wie viel Energie ich tatsächlich verloren hatte. Wenn ich mich im Spiegel be trachtete, sah ich, dass auch meine Wangen eingefallen waren und ich älter wirkte als sonst. Ich musste neue Kräfte tanken. Ich hatte das Gefühl, hundert Jahre schlafen zu wollen. War das der Preis für meine Liebe zu meinem Traumprinzen? Wo waren unsere glücklichen, schillernden Sommertage geblieben? Die Unbeschwertheit unserer anfänglichen Liebe hatte sich in einen harten Kampf verwandelt. Die Leichtigkeit unseres Seins hatte Elefantenschwere angenommen. Ich sehnte den Tag herbei, an dem wir wie Schmetterlinge auf einem Sonnenstrahl davonsegeln und gedankenverloren auf einer duftenden Blume landen konnten.
Ich lag krank zuhause im Bett und konnte nicht zu Sharma fahren. Ich musste erst wieder gesund werden und Kraft schöpfen. Es war kurz vor Weihnachten und wir hatten noch so viel zu tun. Wir wollten mit dem Pass zur Botschaft und erneut unser Glück versuchen. Hatte Sharma denn überhaupt kein Glück? Wir hatten nicht die mindeste Ahnung, wie lange es nun wieder dauern würde. Wieder ein halbes Jahr? Das könnte ich nicht ertragen. Ich war eben nicht stark genug.
Unser einziger Kontakt waren wieder nur Telefonate und SMS und wenn ich sehr viel Sehnsucht nach ihm hatte, rief ich auf seinem Österreich-Handy an. Ich wusste, dass es sehr teuer war, aber was bli eb mir übrig? Sharma fehlte mir. Ich konnte nicht schlafen und obendrein machte mir meine Krankheit zu schaffen. Außerdem war ich immer noch sehr unsicher, ob mir mein Traumprinz wirklich absolut treu war. Einmal rief ich auf seinem Handy an und er nahm nicht ab. Wieder drehte ich förmlich durch. Adrenalin schoss in meine Venen und mein Herz klopfte wild. Was machte er? Ich ließ beide Handys eine Zeit lang klingeln - endlich meldete er sich. Natürlich war ich geladen.
„Warum gehst du nicht an dein Handy, Sharma, verdammt noch mal!“
„Mein Gott, Jasmin, ich habe in meinem Gottbuch gelesen und das erste Mal in meinem Leben habe ich meine Gebete wegen DIR unterbrochen. Das ist nicht gut. Warum vertraust du mir nicht?“
Wieder das alte Misstrauen! Ich musste über mich selbst lachen. Ich erinnerte mich daran, wie er mir einmal sagte, dass ich ihm nur am Ende meines Lebens vertrauen würde. Wenn ich eine uralte Oma wäre, würde ich gebückt zu ihm kommen und mit zahnlosem Mund sagen: „Endlich kann ich dir vertrauen. Du hast mich ein Leben lang nicht betrogen. Jetzt weiß ich, dass deine Liebe echt ist.“ Und am nächsten Tag würde ich in seinen Armen sterben.
Ich hatte ständig Angst, ihn durch mein absurdes Verhalten zu verlieren, denn dadurch wusste er‚ wie ich wirklich war. Ich kon nte es nicht vor ihm verstecken. Manchmal hatte ich das perverse Gefühl, ihm zuvorkommen und ihn verlassen zu müssen, damit ER mich nicht verlassen konnte. Aber das spielte sich alles nur in meinem Kopf ab, ich machte nie Anstalten, ihn zu verlassen! Nur manchmal fragte ich ihn:
„Sag es mir ehrlich, willst du mich wirklich noch oder treibst du nur dein Spiel mit mir? Es ist so einfach, Tschüss zu sagen. Du musst es nur sagen!“
Er sah mich mit angsterfüllten Augen an.
„Ich dich verlassen? Niemals! Aber DU willst mich ver lassen, weil du mir so was sagst, stimmt‘s? Was ist das für eine Art von Liebe, die du zu mir hast, Jasmin? Ich verstehe deine Liebe nicht. Ist deine Liebe nur SMS schreiben und telefonieren? Ich bin Inder und ich habe eine ganz andere Vorstellung von Liebe. Ich liebe dich tief und ich liebe dich IMMER. Du bist meine erste große Liebe, du kannst nicht in mein Herz sehen, aber ich kenne mein Herz. Ich weiß, wie sehr es dich liebt. Bitte mach unsere Liebe nicht kaputt mit deiner unbegründeten Eifersucht und deinem Misstrauen!“
Wie oft hatte ich das schon von Sharma gehört und ich s chämte mich, es wieder zu hören. Ich glaubte, dass sich durch unser
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