Bis bald, Sharma!
dem Dokument „Detail of Family“ mit Fingerabdruck unterschrieben. Ich konnte erkennen, dass sie schöne, schlanke Finger hatte. Aha, von ihr hatte Sharma also seine wunderschönen, schmalen Hände. Das „Punjab School Education Board“ war so durchlöchert, als ob es von einem Wirbelwind erfasst worden wäre. Auf diesem Dokument konnte ich erkennen, dass er jahrelang in der „Government High School“ war und auch einen guten Abschluss gemacht hatte. Die darauf befindlichen Stempel sahen aus, als ob die Stempel selbst gebastelt worden wären. Manchmal waren die Buchstaben dick, manchmal dünn - alles sah irgendwie verschoben aus. Auf dem „Certificate of Marriageability“ stand deutlich sein Scheidungsdatum drauf. Er war von seiner ehemaligen Frau Rajwant Kaur am 9.12.1996 vor einem ordentlichen Gericht geschieden worden. Gott sei Dank - das wichtigste Dokument war in Ordnung. Auf zwei Papieren erschien ein großer, kopierter Ten-Rupees-Geldschein, der ein Drittel des Dokuments bedeckte. Aha, man konnte sehen, wie wichtig es war und wie viel es gekostet hatte. Ten Rupees waren umgerechnet sehr wenig Geld, aber für Indien schien es ein Vermögen zu sein. Auf der Urkunde „Department of Health & Family Welfare“ fehlte sein Familienname, weil dieser in Indien überhaupt nicht wichtig war. Haha - unglaublich, aber wahr! Sharma Singh war der Sohn des Ajaypal Singh und seiner Ehefrau Gurdev Kaur. Der Nachname war nicht wichtig. Es gab in ganz Punjab nur einen einzigen Sharma Singh. Hoffentlich würde das das österreichische Standesamt auch so sehen. Auf dieser Geburtsurkunde strahlten auch jede Menge urkomische Stempel, übermalt mit kritzeligen Unterschriften. In dem Auszug des Familienbuches waren seine Kinder vermerkt: Jatinder Kaur, ein Mädchen, und Parvinder Singh, ein Junge. Als ich das las, wurde ich traurig, dass er seine Kinder verloren hatte. Für einen Inder sind Kinder immer sehr wichtig, aber durch Scheidung gehen Kinder dem Vater verloren. Er hatte seit Jahren keinen Kontakt zu seinen Kindern gehabt, wenn ich Sharmas Worten glauben konnte. Ich wusste nicht, ob er später nach unserer Heirat Kontakt zu seinen Kindern aufnehmen würde - aber mir würde es recht sein. Ich hatte Sharma sogar vorgeschlagen, seine Kinder nach Deutschland zu holen, damit wir wieder eine richtige Familie sein könnten, denn auch ich hatte drei Kinder. Daniel, Johannes und Marvin würden sich sicher freuen, wenn noch ein Mädchen und ein Junge in unsere Familie kämen.
Das Wichtigste war aber nun, die Odyssee des Papier krieges ohne Schaden zu überstehen, schnell zu heiraten und nach Deutschland zu gehen - mit Sharma natürlich - einem schlitzohrigen Prinzen mit kleinen, liebenswerten Macken und einem riesigen Herzen.
Die Odyssee beginnt
Ein paar Tage später fuhr ich wieder mit dem Zug nach Regensburg, um die Papiere von seinem Bruder abzuholen. Wir gingen sofort zum Standesamt und legten die Papiere vor. Mit zitternden Knien warteten wir auf die Beurteilung. Die Standesbeamtin schaute sich alles genau an und dann legte sie los:
„Dieses Papier hier ist wertlos, das braucht ihr Mann für die Heirat nicht“, sagte sie und deutete auf das Schulzertifikat.
Dann hielt sie das „ Marriageability-Zertifikat“ in der Hand und meine Knie schlotterten. Würde sie die falsche Adresse akzeptieren? Ich hatte Recht. Dieses Papier wurde akzeptiert. Die Adresse hatte überhaupt keine Bedeutung, allein der Meldezettel war das Entscheidende. Mir fielen tausend Steine vom Herzen - und Sharma auch. Dann sah sie sich die Geburtsurkunde sehr genau an - und die war nicht zu gebrauchen. In dieser Urkunde, die seltsam kindlich geschrieben war, stand, dass Sharmas Geburt am 06.09.1956 registriert wurde. Aber wann war er geboren? Auch am gleichen Tag? Das konnte man aus dieser Urkunde nicht ersehen.
Wir schauten uns gegenseitig enttäuscht an.
Die Standesbeamtin fragte Sharma, wo denn das Scheidungsurteil mit Rechtskraftklausel sei? Es war gar nicht dabei gewesen. Auch fehlte in dem ganzen wirren Papierhaufen der Staatsangehörigkeitsnachweis, weil Sharma ja keinen Pass vorlegen konnte. Mit gesenkten Köpfen verließen wir das Magistrat.
„Du bist gar nicht geschieden, du hast mich angelogen“, schrie ich ihn an.
„Ich schwöre, dass ich geschieden bin. Bitte gib mir Zeit, dir das zu beweisen, Jasmin.“
Wir stritten den ganzen Weg lang
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