Bis bald, Sharma!
bis zuhause. Es war schrecklich! Ich sah Sharma förmlich in sich zusammenb rechen. Ich war wie eine Furie. Ich wollte ihm nicht glauben. Fünf Monate waren nun vergangen und die Papiere hatten keinen Wert. Wieder mussten wir von vorne anfangen. Wieder mussten wir Indien bitten, uns richtige Papiere auszustellen.
Zuhause stritten wir weiter. Ich war böse auf Sharma, dass er nicht fähig war, richtige Papiere für sich zu besorgen und bohrte immer weiter. Er sah mir verwundert in mein vor Wut verzerrtes Gesicht und plötzlich sagte er etwas, was mein Herz erschütterte.
„Dieses Jasmin-Gesicht will ich nicht! Wo ist meine Jasmin von früher? Die Jasmin mit dem Engelsgesicht? Ich kann nicht mit DIESER Jasmin leben - ich will Liebe und keinen Hass! Ich will keinen Stress, sondern Harmonie! Das Leben ist so kurz, ich möchte es nicht mit Streit verschwenden. Bitte sei wieder meine liebe Jasmin von früher!“
Er hatte Tränen in den Augen und seine Wangen waren eingefallen. Urplötzlich erkannte ich, dass er vollkommen Recht hatte. Ich wollte auch nicht diese Jasmin sein, es hatte überhaupt keinen Sinn, so herumzustreiten, ich verlor nur Energie dabei.
Ich verstand Sharma, küsste sein Gesicht und schwor ihm, dass ich keinen Stress mehr machen würde. Sharma hatte schon Probleme genug; dafür, dass die Papiere unbrauchbar waren, musste ich ihm nicht auch noch eine auf den Kopf geben.
Die nächsten Tage verliefen harmonisch, es fiel mir sehr leicht, nicht mehr über die Papiere zu reden. Wir fuhren mit dem Zug nach Wien zur indischen Bot schaft, um einen Staatsangehörigkeitsnachweis und auch eine Geburtsurkunde zu beantragen. Hier wurde Sharma von einer fetten, indischen Beamtin auf unglaublich unverschämte Weise abgewimmelt; während sie sprach, spielte sie unaufhörlich mit einem Gummiring.
„Woher sollen wir wissen, dass Sie Inder sind? Ist hier ein Foto von Ihnen zu sehen, Herr Sharma? Sie könnten ge nauso gut auch ein Pakistani sein. Die Angaben, die Sie in Österreich gemacht haben, sind unglaubwürdig. Sie müssen uns schon einen Pass vorlegen, dann sehen wir weiter!“, sagte sie mit hämischem Gesichtsausdruck und spielte dabei mit dem Gummi in ihrer Hand.
„Ich habe hier meinen Führerschein, ist das kein Beweis, dass ich indischer Staatsbürger bin? Und mein Schul-Zertifi kat?“
„Nein, das ist kein Beweis, hier ist nirgends ein Foto von Ihnen darauf. Das hier auf dem Führerschein ist so alt, ich kann sie beim besten Willen nicht erkennen. Sie müssen schon einen Pass vorlegen, haben Sie verstanden?“, sagte die dicke Inderin mit strengem Blick und wickelte den Gummi um die Finger.
Wir hätten uns auf den Kopf stellen können, wir hätten nichts erreicht. Wir hätten uns nur den Hass der indischen Botschaft zugezogen. Nach unendlichen Diskussionen mit anderen Indern, die hier mit riesigen Turbanen auf dem Kopf erschienen, gaben wir auf. Wir schlenderten noch ein bisschen durch das eiskalte Wien, kauften am Bahnhof Obst und Süßigkeiten und setzten uns in den Zug, der nach Salzburg fuhr. Aber irgendetwas stimmte nicht. Der Zug fuhr viel früher aus der Halle ab, als es auf dem Fahrplan angegeben war. Wir waren aus Versehen in den angekommenen Zug gestiegen. Jetzt standen wir ein paar hundert Meter vom Hauptbahnhof entfernt auf einem Rangierbahnhof. Ein Bahnbeamter, der uns im Zug entdeckte, sagte, wir sollten aussteigen, er würde uns eigenhändig mit seiner Lok wieder in den Bahnhof zurückfahren. Gesagt - getan. Ein tolles Abenteuer! Sharma und ich kletterten eine absolut senkrechte eiserne Leiter ins Zugführerhaus hoch. Meine Hände waren über und über voll Schmieröl. Wir erreichten sogar noch unseren Zug nach Salzburg, den richtigen, weil er wegen uns wartete. Wir fanden ein Abteil, wo wir in Ruhe kuscheln und uns gegenseitig mit Obst füttern konnten.
Die nächsten Tage verliefen in völliger Harmonie. Ich hatte mir fest vorgenommen, keinen Stress mehr aufkom men zu lassen. Es gelang uns, in völliger Harmonie zusammenzuleben. Sharma kochte für uns herrliche indische Gerichte, ich räumte die Wohnung auf, wusch kleine Kleidungsstücke mit der Hand aus, besorgte mit einer Kanne Heizöl von der Tankstelle, füllte die Duftlampe mit Duftöl und stellte jede Menge Kerzen auf, die ich anstatt des schrecklichen Neonlichtes anzündete. Sharma konnte immer noch nicht mit mir heimfahren, weil wir noch wichtige Sachen zu erledigen hatten. Jetzt musste ich seinen Reisepass aus Deutschland
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