Bis bald, Sharma!
insgeheim, dass diesmal die Papiere ohne Fehler ankommen würden. Im Januar flog sein jüngerer Bruder nach Indien, um dort Urlaub und in dieser Zeit auch ein bisschen Druck auf die Ämter zu machen. Uns fehlten schließlich zwei sehr wichtige Papiere: Das „marriage-ability-certificate“ und das Scheidungsurteil mit Rechtskraftstempel.
Außerdem warteten wir auch auf die Geburtsurkunde und den Staatsbürgerschaftsnachweis, den uns die indische Bot schaft aus Wien schicken wollte.
Sein Bruder rief uns aus Indien an und teilte uns mit, dass Sharmas Ehefähigkeitszertifikat noch einmal gemacht werden müsse, da Passnummer und Adresse falsch wären. Allein die Wartezeit würde vierzig Tage betragen und danach müssten aus drei wichtigen Hauptstädten wie Amritsar, Jandigarth und Delhi tausend Stempel draufgeknallt werden. Das brauchte Zeit. Sicher würde es drei bis vier Monate dauern. Da wir viel Geduld haben mussten und die Zeit nutzen wollten, fingen wir an, unsere Wohnung zu renovieren. Liebevoll und behände baute Sharma Regale ab, entstaubte Bücher, die ich zehn Jahre nicht mehr gereinigt hatte, und räumte nach und nach das riesige Wohnzimmer leer. Da es sich um einen hohen Raum handelte und die Decke zudem mit Stuck verziert war, ließen wir einen Maler kommen, der den Raum in herrlichem Aprikose-beige strich und auch die zwölf Tierkreiszeichen, die sich an der Decke befanden, per Handpinsel bemalte. Eine Woche räumten wir um und ein und verschönerten das herrliche Wohnzimmer mit neuen Fotos und Bildern. Die riesigen Dschungelpflanzen mussten erneut festgebunden und neu arrangiert werden. Das war eine Heidenarbeit, da bei dem kleinsten Fehler die wunderschönen Blätter abknickten oder brachen. Mein Sharma war ein Meister in dieser Arbeit. Er liebte Pflanzen über alles. Behutsam strichen seine schönen, langen Hände zärtlich über die Blätter. Er wusste genau, wie man Pflanzen behandeln musste. Er streichelte die Pflanzen, wie er mich streichelte. Ich fühlte mich in seinen Armen geliebt und so wie die Pflanzen unter seinen Händen gediehen, genauso blühte auch ich auf. Seine Schönheit und Reinheit konnte ich daran erkennen, wie er mit den Pflanzen umging. Er war nie grob zu ihnen. Dafür liebte ich ihn unendlich.
Bald erstrahlte unser Wohnzimmer-Palast mit dem großen Erker wie ein Märchenschloss und wir fühl ten uns noch wohler. Die Zeit verging wie im Fluge. Sharma hatte vor, so lange bei mir zu bleiben, bis sein Bruder die Papiere aus Indien brachte, das wäre Ende Februar. Allerdings wussten wir nicht, ob die Papiere bis zu seinem Abflug tatsächlich schon fertig waren.
Wir vertrieben uns die Zeit, nie wurde uns langweilig, nie stritten wir. Oft lagen wir uns stundenlang in den Armen und er erzählte mir Geschichten aus Indien und ich erzählte ihm, wie und warum die Erde um die Sonne kreist. Wir versuchten auszurechnen, mit welcher Wahrscheinlichkeit man sechs richtige Zahlen beim Lottospiel tippt. Sharma wurde von dieser Idee total gefangengenommen. Er schrieb stunden- und tagelang Zahlenreihen auf, um ein Prinzip zu finden, mit der er die Kombination heraus bekommen könnte. Manchmal vergaß er sogar das Essen dabei. In der Stadtbücherei suchte ich Bücher darüber und fand die Lösung: Beim Zahlenlotto 6 aus 49 gibt es 13.983.816 Möglichkeiten, dreizehn Millionen, neunhundertdreiundachtzigtausend! Da hätte Sharmas Leben nicht gereicht, um aus den möglichen Kombinationen ein Prinzip abzuleiten. Aber auch, als er es wusste, rechnete er trotzdem mutig weiter. Ich musste lachen. Er brauchte dringend Arbeit, der Arme!
Anfang März flog sein älterer Bruder nach Indien, um die Papiere abzuholen. Sie waren immer noch nicht ange kommen. Natürlich wollte auch er Urlaub machen und seine Freundin treffen, die aus England angereist kam. Ob er wohl Zeit für Sharmas Papiere hatte? Wir wussten, dass er Anfang April zurück sein wollte, aber wir wussten nicht, ob er die Papiere mitbringen würde.
Immer wieder riefen wir in Indien an, aber wir konnten ihn nicht erreichen, weil das Telefon nicht funktionierte. Imme r wieder dachte ich an die zweitausend Euro, die Sharma angeblich von seiner Mutter bekommen hatte, und ich war noch unsicherer, als Sharma seinem Bruder tausend Euro gab, der sie mit nach Indien nehmen sollte, um sie seiner Mutter zurückzugeben. Warum dieser Umweg? Erst verlangte er das Geld und dann gab er es wieder zurück! Vielleicht sollten die Papiere doch gekauft werden, und
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