Bis bald, Sharma!
kein einziges Wölkchen war zu sehen. Um 17 Uhr holten wir Sharmas Papiere wieder von der Botschaft ab. Auf jedem Dokument prangte nun ein großer, blauer Stempel - oh welch eine Zauberkraft hatte so ein Stempel! Wir schauten uns gegenseitig an und lachten innerlich. Von solchen Stempeln hing also unser Zusammenleben ab.
Die Nacht mussten wir in Wien verbringen. Da wir nicht wussten, wo wir schlafen sollten, fragten wir Passanten nach einem billigen Hotel und eine Frau schickte uns zu einem Hotel in der Nähe des Bahnhofes. Eine Übernachtung sollte dort nur fünfzehn Euro kosten, wir konnten es nicht glauben. Als wir das Hotel endlich gefunden hatten, wussten wir, warum es so billig war. Zwei Huren standen in kurzen Röcken vor dem Eingang und zeigten in aufreizender Pose ihre Beine.
„Na, du Süßer, du bist aber ein Lieber, wo kommst du her? Sicher aus Indien, hab ich recht?“, turtelte die Blonde. Obwohl ich meinen Sharma an der Hand hatte, machte sie ihn an.
Sharma war sprachlos. Er verabscheute dieses Milieu und wollte sofort kehrtmachen. Ich blieb stehen und redete mit der anderen, etwas älteren Hure.
„Warum machen Sie diesen Beruf? Wie schaffen Sie so etwas?“, fragte ich sie.
„Geldnot, meine Liebe. Ich habe einfach zu wenig Geld zum Leben“, erwiderte sie.
Sharma zog ungeduldig an meiner Hand und wollte gehen. Die Hure bemerkte das und meinte:
„Oh, mein Gott, so ein schöner Mann und so viel Angst vor mir. Du brauchst keine Angst haben, ich tue dir nichts. Du kannst ruhig mit deiner Frau hier in diesem Hotel schlafen, es ist alles sauber hier - ich überfalle dich nicht. Es ist ein Stundenhotel, aber es übernachten hier auch ganz normale Gäste.“
Sharma drehte sich plötzlich um, schnappte meine Hand und zerrte mich weg. Er sagte, er würde lieber sterben, als auch nur eine einzige Nacht in diesem Hotel zu verbringen. Es war mittlerweile Nacht geworden und wir wussten immer noch nicht, wo wir unsere müden Glieder hinlegen konnten.
Wir versuchten es im Bahnhof, aber der war abgesperrt - von ein Uhr bis fünf Uhr. Es blieb uns nichts anderes übrig, als uns irgendeinen Park zu suchen, wo wir auf einer Bank ein bisschen ausruhen konnten. Komischerweise hatten alle Bänke querstehende Holzleisten, damit man sich ja nicht hinlegen konnte. Wir fanden aber doch noch eine andere mit einem riesigen Tisch davor und machten es uns mit unserer Decke gemütlich. Ich war noch nicht müde und schrieb im trüben Licht einer Laterne. Sharma aber wickelte sich in seine Decke und versuchte, ein wenig zu schlafen. Es dauerte nicht lange, da kamen zwei Polizisten mit großen Knüppeln, die an ihren Gürteln hingen, und sprachen uns an.
„Was ist mit Ihrem Mann los, will der hier auf der Bank schlafen? Das ist nicht erlaubt!“
„Setzen Sie sich bitte auf!“, sagte der andere und wandte sich Sharma zu.
„Meinem Mann geht es nicht so gut, ihm ist ein bisschen schwindlig, er will sich nur kurz ausruhen“, sagte ich schnell.
„Das ist kein Campingplatz hier - stehen Sie auf und gehen Sie!“, redete der andere Polizist auf uns ein.
„Wieso Campingplatz, wo ist denn unser Zelt und unser Kochgeschirr?“, antwortete ich frech.
Wir sahen ein, dass es keinen Sinn hatte, noch zu bleiben. Wir verstauten unsere Decke und wanderten weiter.
„Keine Angst, wir benutzen eure teuren Wiener Bänke nicht“, warf ich den beiden verdutzten Polizisten noch hin und wir verschwanden in der Dunkelheit der Nacht.
Nahe einer Kirche fanden wir auf einem Spielplatz wieder eine Bank, die noch viel gemütlicher war, als die vorherige. Sharma wickelte sich wieder in die Decke und ich saß auf recht und völlig wach neben ihm und bewachte seinen Schlaf. Komische Gestalten schlichen um uns herum. Es war drei Uhr. Sharma schlief fest. Ich hatte Angst. Ich hielt meine Tasche mit dem vielen Geld eng an mich gepresst. Sharma hatte mich vorher gewarnt, dass es Männer gibt, die sich einfach an Leute heranschleichen und sich ohne Vorwarnung die Tasche schnappen und damit abhauen. Tatsächlich kam ein junger Mann nahe an meine Bank und fragte mich, was ich hier mache, ob ich keine Wohnung hätte und ob ich ihm etwas von dem Obst, das ich in einer Tüte neben mir aufbewahrte, geben würde. Er stand regungslos vor mir und starrte auf meine Handtasche. Sharma wachte auf und beobachtete die Szene. Als ich dem fremden Mann in meiner humanen Art etwas Obst geben wollte, beugte sich der Fremde zu mir hinunter und - blitzschnell
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