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Bis bald, Sharma!

Bis bald, Sharma!

Titel: Bis bald, Sharma! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Bhullar
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nach zwölf Uhr dort an und die Tür war verschlossen und öffnete sich auch nicht wieder, denn der Übersetzer arbeitete nur bis zwölf. Ich bekam einen Heulkrampf, warf den Schirm gegen die Tür - ich wollte es nicht glauben, dass wir es nicht geschafft hatten, ihm die Papiere übers Wochenende zu geben.
    Ich wollte den Mann unbedingt ausfindig machen, aber wir wussten den Namen nicht. Wir fragten die Nachbarin und die Vermieterin, aber niemand konnte uns seinen Namen sagen . Ich wurde richtig sauer. Sharma lachte mich aus, anstatt mich zu trösten, das machte mich noch verrückter. Ich rannte zur Polizei und zum Standesamt, um den Namen zu erfahren. Da ich aber nur wusste, dass das Übersetzungsbüro „DÜBS“ hieß, nützte uns das gar nichts, weil der Mann, wie wir später erfuhren, ganz anders hieß.
    Das bevorstehende Wochenende verbrachten wir in trauri ger Stimmung - wieder eine Woche verloren. Am Montag machte ich mich in aller Frühe auf, um einen anderen Übersetzer zu finden, damit wir nicht noch eine Woche warten mussten. Ich rief mehrere Büros an. Die meisten machten keine Beglaubigungen und wenn, dann nicht in so kurzer Zeit, bis auf eine Übersetzerin - ich bin ihr bis in alle Ewigkeit dankbar - die sich bereiterklärte, Sharmas Papiere in nur vierundzwanzig Stunden zu übersetzen, inklusive Beglaubigung zu einem Spottpreis von nur achtzig Euro für fünf Seiten. Gegen Mittag brachten wir die Dokumente zu Frau Waldeck und ich schenkte ihr eine Rose von meinem Geburtstagsstrauß.
    Am nächsten Tag rief Frau Waldeck uns um halb elf an, wir könnten die Papiere abholen. Sharma raste im strömen den Regen zum Kapuzinerberg, wo sie ihr Büro hatte und ich beeilte mich, zum Standesamt zu kommen, wo ich mich mit Sharma treffen wollte. Es war ein Wettlauf mit der Zeit, weil das Standesamt um halb zwölf schloss. Drei Minuten vor halb zwölf kam Sharma schweißgebadet dort an und wir konnten die Papiere der Standesbeamtin noch schnell vorlegen. Mit zitternden Knien und weichen Herzen warteten wir auf das „Urteil“. Wir sahen, wie sie die Papiere genauestens durchstudierte und dabei ihren Zeigefinger zu Hilfe nahm. Sie suchte nach einem Fehler, schlug etwas in ihrem Gesetzbuch nach - aber sie konnte keinen finden. Es war ein absolut rechtskräftiges Scheidungsurteil mit Rechtskraftstempel und Rechtskraftkraft. Mehr Rechtskraft ging nicht! Die Übersetzerin hatte alles ordentlich beglaubigt und überall prangten riesige Stempel des Ministeriums in Neu Delhi. Wir hatten es geschafft. Die Papiere wurden akzeptiert.
    Frühmorgens um vier Uhr fuhren wir mit dem Schnellzug nach Wien, um die Papiere von der indischen Botschaft und vom Innenministerium beglaubigen zu lassen. Wir waren über müdet und ich hatte schlechte Laune. Während der vierstündigen Fahrt verkroch ich mich in mich selbst und redete nur das Nötigste mit Sharma. Ich sah, wie er mit tieftraurigen Augen in der Morgendämmerung aus dem Fenster in die Ferne starrte. Er tat mir unheimlich leid, aber ich sagte nichts.
    Am 6. Juli standen wir Punkt neun Uhr vor den noch ver schlossenen Türen der indischen Botschaft. Immer mehr Leute kamen, es waren vor allem Inder mit riesigen, knallbunten Turbanen und als die Glastür geöffnet wurde, stürzten die Menschen in das Büro der Botschaft. Wir waren unter den Ersten, trotzdem mussten wir warten. Als Sharma an die Reihe kam, wurde ihm nur ein läppisches Formblatt überreicht, das er auszufüllen hatte, und danach musste er sich wieder hinten anstellen. Die mit dem Gummiring spielende dicke Inderin war diesmal nicht anwesend, dafür blickten uns strenge, schwarze Augen aus finsteren, harten Inder-Gesichtern an. Zwei Stunden mussten wir uns gedulden, bis wir endlich an die Reihe kamen. Der strenge Beamte, der keine Gefühlsregung in seinem Gesicht zeigte, nahm Sharmas Papiere entgegen und teilte ihm mit unbewegter Miene mit, dass er alle Papiere am Nachmittag wieder abholen könne. Erleichtert verließen wir diesen schrecklichen Ort. Mit der Straßenbahn fuhren wir zum Innenministerium, um zu sehen, wo wir morgen hinzugehen hatten, denn auch dort wurden Sharmas Papiere getestet.
    Es war ein sonniger Tag, wir schlenderten Hand in Hand durch die Altstadt, besorgten uns Essen und Getränke und fanden im Burggarten nahe dem Ministerium ein herrliches Plätzchen, wo wir unsere mitgebrachte Decke ausbreiteten und Pizza und Salat verspeisten. Danach kuschelten wir uns zusammen und sahen in den blauen Himmel -

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