Bis das der Biss uns scheidet
grässlichen Soundtracks im Hintergrund bin ich überglücklich über die Tatsache, dass Jareth freiwillig gekommen ist und sich neben mich gesetzt hat. Ich werfe einen verstohlenen Seitenblick auf ihn und möchte ihm so vieles sagen. Aber ich wil ihn auch nicht gleich wieder verschrecken. Mir ist bewusst, dass das hier schon ein sehr großer Schritt für ihn ist, und er sol ihn nicht bereuen.
»Erinnerst du dich noch an unsere erste Nacht, als .. wir am Strand gesessen haben?«, traue ich mich schließlich zu fragen und blicke dabei unverwandt auf das Wasser vor mir. »Nachdem wir den Vampir Maverick während meiner ersten Jägermission gepfählt hatten?«
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie er bedächtig nickt. »Du warst durch den Blutvirus vergiftet worden«, erinnert er sich.
»Du hast gesagt, dass du in ein paar Tagen tot sein würdest.«
»Ich weiß. Ich hatte ziemlich Schiss.
Vielleicht wäre es nicht so schlimm gewesen, wenn ich das mit dem kostenlosen Wi-Fi gewusst hätte . . .«, kann ich mir nicht verkneifen zu scherzen.
Aber Jareth lacht nicht. »Ich weiß noch, das ich gedacht habe... ich kenne dieses Mädchen doch kaum«, fährt er todernst fort.
»Wie kann ich sie dann schon so sehr lieben?« Er schüttelte den Kopf. »Um ehrlich zu sein, hat mir das furchtbare Angst gemacht.«
Ich muss schlucken und denke an jene schicksalsträchtige Nacht zurück. Endlich hatte ich einen Mann kennengelernt, den ich lieben konnte, den zu lieben ich mir erlauben konnte. Einen Mann, der verstand, dass ich all die Jahre einen Schutzwal um mich herumgezogen hatte, aus Angst, mein wahres Ich zu zeigen, ein schwaches, hilfloses Ich. Ich wusste, dass Jareth die Kraft hatte, mir dabei zu helfen, diesen Wal einzureißen und mich zu lieben, wie ich war, mit al meinen Schwächen. Und jetzt, da ich es geschafft hatte und diese Rayne McDonald endlich angenommen hatte, mit ihren Warzen und al em Drum und Dran, wol te der Vampir, der mir auf dem Weg dahin beigestanden hatte, nicht mehr mit mir zusammen durchs Leben gehen.
»Du hast mich gerettet«, sage ich. »Du warst der Einzige, der das konnte.«
»Habe ich das?« Jareth klingt plötzlich wieder verbittert. »Habe ich dich nicht vielmehr zu einem Leben als Ungeheuer verdammt? Manchmal kommen mir da Zweifel.«
»Wie meinst du das?«
»Ich weiß nicht«, antwortet er mit einem kleinen Schulterzucken. »Wenn ich dich einfach in Ruhe gelassen hätte … wenn ich dir erlaubt hätte, friedlich in ein glückliches Jenseits mit kostenlosem WiFi und Computerspielen hinüberzugehen … wäre das nicht am Ende besser gewesen? Habe ich dir wirklich das Leben gerettet mit einem Biss? Oder war ich nur ein selbstsüchtiges Monster, weil ich es nicht ertragen konnte, dich gehen zu lassen?«
Ungläubig starre ich ihn an. Denkt er das etwa wirklich? Dass ich lieber hätte sterben sollen, als ein Vampir zu werden?
»Was wil st du damit sagen?« Ich kann nicht verhindern, dass Wut in meiner Stimme mitschwingt. »Hat dir al das, was wir miteinander erlebt haben, al das, was wir einander anvertraut haben, gar nichts bedeutet? Würdest du mich lieber sterben lassen, wenn du noch einmal die Wahl hättest?«
Jareth starrt auf seine Füße und in seinen Augen schwimmen Blutstränen. »Ich denke nur, du wärst besser dran, wenn du mir nie begegnet wärst«, murmelt er schließlich gequält. »Oder wenn ich nie geboren worden wäre.«
Ich mache den Mund auf, um zu widersprechen, ihm zu sagen, dass er spinnt, albernes Zeug redet, dass mein Leben tausend Mal besser ist, seit er dazugehört, und ich um nichts in der Welt etwas daran ändern möchte. Doch bevor ich etwas davon herausbringe, höre ich ein Schlurfen hinter uns.
Ich fahre herum und sehe Charon in einem Superman-Seidenpyjama und mit einer tiefen Falte zwischen den Augenbrauen.
»Was zum Teufel ist da los?«, fragt er und deutet auf den Lärm an der Feuergrube. »In all meinen Jahrtausenden habe ich noch nie einen so abscheulichen Lärm gehört! Es ist vier Uhr morgens, um Hades' wil en!«
Ich schneide eine Grimasse. Genau das hatte ich befürchtet. Da wol ten wir ihn mit Musik verzaubern und stattdessen wird er stinksauer, weil wir ihn beim Schlafen stören.
Ich hoffe, Torrid überlässt mir seinen WoW-Account, bevor er endlich den Fluss überquert. Sonst werden es sehr lange hundert Jahre werden . . .
»Entschuldigung«, sage ich und stehe auf.
»Es tut mir wirklich leid. Wir wol ten Sie nicht aufwecken. Ich sage ihnen, dass
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