Bis Das Feuer Die Nacht Erhellt
ihre zu schütteln, und bemerkte eine halbe Sekunde zu spät, dass sie zitterte. Sie sah über meine ausgestreckte Hand hinweg und schaute mich mit schiefgelegtem Kopf an, auf eine Art, durch die ich mich noch ungeschützter und schüchterner fühlte. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
Ich nahm einen lautlosen Atemzug. »Ja – mir geht’s gut.«
Sie nickte kurz. »Sei um viertel vor sechs hier, und ich suche dir noch vor deiner Schicht eine Uniform heraus.«
»Ich danke Ihnen viel…«, begann ich, und meine Stimme war immer noch im Schockzustand, aber sie war schon auf dem Weg zurück hinter den Tresen.
Als ich in den blendenden Sonnenschein hinaustrat, stellte ich in meinem Kopf Berechnungen an. Wenn ich davon ausging, dass ich den Mindestlohn verdienen würde, dann könnte ich, wenn ich die nächsten zwei Wochen jeden Abend arbeitete, gerade eben meinen Strafzettel bezahlen. Und wenn ich zwei Monate lang jeden Abend arbeitete, wären das sechzig Abende, an denen ich zu sehr in Arbeit versunken
wäre, um über Patch nachzudenken. Sechzig Nächte näher am Ende der Sommerferien, und dann konnte ich wieder meine gesamte Kraft in die Schule stecken. Ich hatte bereits beschlossen, meinen Stundenplan mit anstrengenden Kursen vollzupacken. Ich konnte mit jeder Art und Menge von Hausaufgaben fertig werden, aber nicht mit einem gebrochenen Herzen.
»Und?«, fragte Vee und tauchte im Neon neben mir auf. »Wie ist es gelaufen?«
Ich setzte mich auf den Beifahrersitz. »Ich habe den Job.«
»Schön. Du kamst mir richtig nervös vor, als du reingegangen bist, fast als würdest du den Kopf verlieren, aber dann muss ich mir ja keine Sorgen mehr machen. Du bist jetzt offiziell ein hart arbeitendes Mitglied der Gesellschaft. Bin stolz auf dich, Süße. Wann fängst du an?«
Ich sah auf die Uhr auf dem Armaturenbrett. »In vier Stunden.«
»Ich komme heute Abend vorbei und bitte darum, an einem deiner Tische sitzen zu dürfen.«
»Lass lieber ein Trinkgeld da«, sagte ich, wobei mein Versuch, witzig zu sein, mich fast zum Weinen brachte.
»Ich bin dein Chauffeur. Das ist besser als Trinkgeld.«
Sechseinhalb Stunden später war Enzo’s gerammelt voll. Meine Arbeitsuniform bestand aus einem weißen Hemd mit Biesen, grauer Tweedhose mit einer passenden Weste und einer Zeitungsjungenmütze. Die Mütze schaffte es auch nicht wirklich, mein Haar hoch zu halten, das sich nicht darunter verstecken ließ. Gerade merkte ich, dass eine schweißverklebte Strähne an meiner Wange klebte. Abgesehen von der Tatsache, dass ich völlig überfordert war, war es merkwürdig erleichternd, bis zum Hals in Arbeit zu stecken. Ich hatte
keine Zeit, meine Gedanken, und sei es auch nur flüchtig, Patch zuzuwenden.
»Neue!« Einer der Köche – Fernando – rief nach mir. Er stand hinter einer kleinen Wand, die die Öfen vom Rest der Küche trennte und winkte mit einem Pfannenheber. »Deine Bestellung ist fertig!«
Ich nahm die drei Sandwichteller, stapelte sie vorsichtig in einer Reihe auf meinem Arm, und ging rückwärts durch die Schwingtüren hinaus. Auf meinem Weg durch die Fallgrube fiel ich einer der Hostessen ins Auge. Sie zeigte mit dem Kinn auf einen frisch besetzten Tisch oben auf dem Balkon. Ich antwortete mit einem schnellen Nicken. Bin in einer Minute da.
»Ein Steak-Sandwich, eins mit Salami und eins mit gegrilltem Truthahn«, sagte ich und stellte die Teller vor drei Geschäftsleuten in Anzügen ab. »Wünsche guten Appetit.«
Ich rannte die Treppen hoch, die aus der Fallgrube hinausführten, und zog meinen Bestellblock aus der Hosentasche. Auf halbem Weg den Laufsteg hinunter hielt ich inne. Direkt vor mir saß Marcie Millar, an meinem neuesten Tisch. Ich erkannte außerdem Addyson Hales, Oakley Williams und Ethan Tyler, alle aus der Schule. Ich beschloss gerade, auf dem Absatz kehrtzumachen und die Hostess zu bitten, meinen Tisch jemand anderem – irgendjemandem – zu geben, als Marcie aufsah. Da war mir klar, es gab keinen Ausweg.
Ein granithartes Lächeln spielte um ihren Mund.
Meine Atmung setzte aus. Konnte sie irgendwie herausgefunden haben, dass ich ihr Tagebuch gestohlen hatte? Ich hatte gar nicht mehr daran gedacht, bis ich gestern Nacht nach Hause gekommen war und mich ins Bett gelegt hatte. Ich hatte es sofort zurückgeben wollen, das aber vollkommen vergessen. Das Tagebuch war mir im Vergleich zu dem Chaos, das von innen und außen auf mich eindrang, unwichtig
vorgekommen. In diesem Augenblick lag es
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