Bis das Glück mich findet
mehr wie einer aus der Baubranche gewirkt, denn auch er schätzte teuren Zwirn und blitzblank polierte Schuhe. Es war lange her, seit er im verschwitzten T-Shirt und mit erdverkrusteten Stiefeln in der Küche gesessen hatte.
Brendan hielt sich nicht in dem Hotel auf. Dominique hatte noch am Tag ihrer Ankunft an der Rezeption nachgefragt, doch die hübsche junge Bulgarin hatte den Kopf geschüttelt, nein, ein Herr dieses Namens befinde sich nicht unter den Hotelgästen. Dominique hatte die Angestellte gebeten nachzusehen, wann Brendan zuletzt hier abgestiegen war, doch die junge Frau hatte dieses Ansinnen höflich, aber bestimmt abgelehnt, es sei ihr nicht möglich, Auskünfte dieser Art zu geben. Und als Dominique ihr schließlich ein Foto von Brendan gezeigt hatte mit der Frage, ob sie ihn wiedererkenne, hatte die Angestellte ihre Chefin geholt.
Dominique erklärte, der Mann auf dem Foto sei ihr Ehemann und werde vermisst, doch auch die Empfangschefin erkannte Brendan nicht wieder, wie sie behauptete, und erklärte, dass es bei den vielen Gästen schwierig sei, sich an alle Gesichter zu erinnern. Dominique wollte dies nicht so recht einleuchten, denn man stieg doch bewusst in einem kleinen Hotel mit persönlicher Atmosphäre ab, damit einen die Angestellten wiedererkannten; doch dann fiel es ihr plötzlich wie Schuppen von den Augen: Es war durchaus möglich, dass Brendan, trotz seiner gegenteiligen Beteuerungen, hier mit einer Frau abgestiegen war und dass das mangelhafte Gedächtnis der Empfangschefin zum guten Service des Hotels gehörte. Also bedankte sie sich bei der Dame, ging und wünschte von Herzen, nicht schon wieder den Tränen nahe zu sein. Sie hatte es so satt, wegen Brendan zu heulen.
Es wird auch nichts bringen, dachte Dominique, wenn ich diese Geschäftsleute in London aufsuche, die mit Brendan zu tun hatten. Barry war mit ihnen in Kontakt, seit Brendan verschwunden war, und keiner von ihnen hatte seitdem etwas von ihm gehört. Dominique kannte keinen von ihnen persönlich. Aber sie war mehrmals an deren Büros vorbeispaziert in der vagen Hoffnung, Brendan vielleicht zufällig über den Weg zu laufen. Sie hatte sich in keines der imposanten Gebäude aus Glas und Beton hineingewagt, die unter dem grauen Londoner Himmel noch strenger und einschüchternder wirkten. Sie stand davor und malte sich aus, wie er voller Elan die Stufen hinaufeilte, auf dem Weg zu einer Besprechung. Ein völlig neues Bild von Brendan stieg vor ihr auf. War er nervös gewesen vor geschäftlichen Besprechungen in diesen imposanten Gebäuden?, fragte sie sich. Hatte er Herzklopfen gehabt, als er diese Treppen hinaufging? Ob einer seiner Londoner Geschäftspartner in jene Deals verwickelt war, die in einem derartigen Fiasko geendet hatten? Sie hätte diese Herren gerne gefragt, wusste aber nicht einmal, welche Fragen genau sie stellen sollte. Allmählich konnte sie sich der Erkenntnis nicht mehr verschließen, dass diese Reise nach London ausgesprochen töricht gewesen war. Doch eigentlich hatte sie gar nicht erwartet, hier Aufklärung über seinen Aufenthaltsort zu finden. London hatte einfach zuoberst auf ihrer Liste gestanden, doch große Hoffnungen, ihn hier zu finden, hatte sie nie gehabt. Vielleicht hatte sie in Biarritz mehr Glück.
Der Gedanke war ihr gekommen, als sie den Flieger nach London bestiegen hatte, und er kehrte wieder, als sie jetzt am Flughafen von Biarritz aus dem Flugzeug stieg: Sie war noch nie allein gereist. Und abermals kam ihr die schockierende Erkenntnis, dass sie in ihrem ganzen Leben kaum etwas ohne Brendan unternommen hatte. Mit ihm gemeinsam hatte sie natürlich sehr viele Orte bereist – Paris und Rom und Madrid; New York und Los Angeles, und auch auf die Malediven und nach Barbados waren sie geflogen. Doch nie war sie allein unterwegs gewesen. Noch nie hatte sie eigenhändig einen schweren Koffer vom Gepäckband heben oder ein Taxi rufen oder ein geeignetes Hotel suchen müssen. Alle diese Dinge hatte ihr stets Brendan abgenommen. Doch wenn sie absolut ehrlich sich selbst gegenüber war, musste Dominique zugeben, dass sie das Alleinreisen ziemlich genoss, auch wenn es andererseits ziemlich erbärmlich war, dass eine Frau wie sie aufgeregt war wie ein Teenager, ob sie ihren Flug oder ihren Anschlusszug oder ihren Bus rechtzeitig bekommen würde. Wenn sie sich nach der Schule ein Jahr Auszeit genommen hätte und ein wenig herumgereist wäre wie Kelly, würde sie dies alles nur als lästige
Weitere Kostenlose Bücher