Bis das Glück mich findet
hatte. Dadurch, dass sie selbst so wenig Interesse für seine geschäftlichen Aktivitäten aufgebracht hatte, hatte sie ihrer Tochter gegenüber ebenfalls versagt.
Kelly selbst fand es, wie sie Dominique versicherte, nicht weiter tragisch, dass es nun keine Party geben würde. Sie habe ja bereits an ihrem achtzehnten Geburtstag eine Riesenfete gehabt. Wie oft müsse man sie noch daran erinnern, dass sie älter werde?
Dominique hatte schmunzeln müssen und ihre Tochter umarmt und beteuert, wie lieb sie sie hatte. Und dass sie den Geburtstag nun eben zu zweit feiern würden.
Und so gingen zum ersten Mal seit Brendans Verschwinden Dominique und Kelly gemeinsam zum Essen aus. Sie wählten Kellys Lieblingslokal, das viel besuchte, vegetarische Café Paradiso, wo sie Risotto aßen und Tofu und sich eine Flasche Pinot Grigio teilten. Dominique überreichte Kelly ihr Geschenk, eine Silberkette mit einem Medaillon, die Brendan ihr zur Hochzeit geschenkt hatte. Kelly legte die Kette sofort an.
Mutter und Tochter waren noch nie gemeinsam zum Essen ausgegangen. Gewiss, sie waren des Öfteren zu Familienfeiern in einem Restaurant gewesen, mit Brendan natürlich und manchmal auch mit anderen Mitgliedern aus dem Clan der Delahayes. Aber dass sie beide allein in ein Restaurant zum Abendessen gingen, war etwas völlig Neues. Während Dominique ihrer Tochter am Tisch gegenübersaß, kam ihr jäh die Erkenntnis, dass Kelly kein Kind mehr war. Sie sah auch überhaupt nicht mehr wie ein Kind aus, mit ihrem figurbetonten bernsteinfarbenen Kleid und der zerzausten Lockenfrisur, die ihr herzförmig geschnittenes Gesicht umrahmte. Sie wirkte sehr erwachsen. Wann ist das nur passiert?, fragte sich Dominique verblüfft. Wie konnte es sein, dass Kelly, die eben noch als ungestümer Wildfang durch den Garten gesaust war, sich praktisch über Nacht in eine coole Schönheit verwandelt hatte, der wildfremde Menschen bewundernde Blicke zuwarfen? Und gar Lichtjahre entfernt erschien ihr nun jene düstere Zeit, in der sie nicht einmal in der Lage gewesen war, ihre Tochter anzuschauen, geschweige denn sich um sie zu kümmern. Jetzt, angesichts dieser Katastrophe, die ihre Familie heimgesucht hatte, war Kelly die einzige Konstante in ihrem Leben, ihr Ein und Alles.
»Das war das beste Geburtstagsessen aller Zeiten«, sagte Kelly, während sie auf ihren Kaffee warteten.
»Ach, Kelly …«
»Das meine ich ernst«, sagte Kelly mit Nachdruck. »Die Party wäre durchaus ein Spaß gewesen, natürlich. Aber das hier genieße ich auch sehr. Wir beide, wie wir die heimlichen Blicke der anderen einfach an uns abprallen lassen, die es nicht fassen können, dass wir den Nerv haben, feiern zu gehen! Wir zwei gegen den Rest der Welt. Denen haben wir es gezeigt, Mum. Wirklich.«
Dominique seufzte. »Aber eigentlich hatten wir uns für heute etwas ganz anderes vorgestellt.«
»Ach, was soll’s? Mir hat es jedenfalls Spaß gemacht, mit dir auszugehen. Wirklich. Und ich liebe mein Medaillon.«
»Danke«, sagte Dominique.
»Nein«, erwiderte Kelly feierlich, »ich danke dir, Mum, dass du dich so bemühst, auch wenn wir es im Moment schwer haben.«
Dominique hatte einen Kloß im Hals. »Es wird noch schwerer werden, fürchte ich.«
»Oh?«
»Wir müssen bei Oma und Opa ausziehen. Wir können nicht ewig bei ihnen bleiben.«
»Ich weiß, aber ich wohne gern bei ihnen«, erwiderte Kelly.
»Ich auch. Aber es ist nicht leicht für sie. Wir erinnern sie ständig daran, dass dein Dad Schiffbruch erlitten hat.«
»So etwas kann man auch nicht so leicht vergessen«, sagte Kelly düster.
»Tja, da hast du wohl recht. Aber ich schätze, wir müssen … uns was Neues suchen.«
»Wo willst du denn hinziehen?«, fragte Kelly.
»Das weiß ich noch nicht. Wir sollten beide darüber nachdenken.«
Kelly nickte versonnen. »Ich will nicht, dass du das Gefühl hast, Rücksicht auf mich nehmen zu müssen.«
»In welcher Beziehung?«
»Na, in jeder Beziehung. Was weiß ich.« Sie zuckte unbefangen mit den Schultern. »Wenn du irgendwelche Pläne oder Vorstellungen hast, müssen sie nicht unbedingt mich einschließen.«
»Aber Kelly! Natürlich tun sie das.«
»Ich bin jetzt erwachsen.« Kelly grinste. »Ich bin heute einundzwanzig Jahre alt geworden und muss jetzt selbst wissen, wie ich mein Leben gestalten will. Ich will nicht, dass du denkst, du müsstest das für mich tun.«
»Natürlich nicht«, sagte Dominique. »Ich verstehe deine Gefühle. Aber ich bin für
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