Bis das Glück mich findet
sprach von Krokodilstränen.
Ich an ihrer Stelle hätte es nach der ganzen Geschichte niemals geschafft, wieder unter die Leute zu gehen, dachte Lizzie. Ich hätte mich wahrscheinlich zu Tode geschämt.
Dominique hingegen sah nicht so aus, als würde sie sich schämen. Ihre dunkelbraunen Augen erwiderten unverwandt Lizzies Blick und strahlten aus einem Gesicht, das, wenn auch etwas abgehärmt, immer noch attraktiv erschien, trotz der feinen Linien um die Augenwinkel und einer deutlich sichtbaren senkrechten Falte auf der Stirn. Lizzie fragte sich, ob das die Spuren waren, die die vergangenen Monate hinterlassen hatten.
Auf früheren Fotos, in den Zeitschriften und Klatschmagazinen, also vor der Zeit, als man ihr heimlich mit dem Tele auflauerte, war Dominique stets als die absolute Strahlefrau erschienen. Aber natürlich wurde diese Art von Fotos immer retuschiert, das war ja kein Geheimnis. Trotzdem, und da war sich Lizzie sicher, noch vor ein paar Jahren hätte sich Dominique öffentlich nie so gezeigt, wie sie sich jetzt ihr präsentierte, auch wenn sie nur den Cateringservice erwartet hätte! Es wäre völlig undenkbar gewesen. Trotzdem hatte diese Frau etwas Faszinierendes an sich. Etwas Sympathisches, das nicht nur mit ihrem leicht kantigen Gesicht zu tun hatte und diesen riesigen, strahlenden braunen Augen.
Der Domino-Effekt. So hatte die Überschrift eines der vielen Zeitungsberichte über sie gelautet. Aber natürlich hatte man das damals nur geschrieben, weil sie die Frau eines einflussreichen Geschäftsmannes war, der seiner Gattin Dominique diesen Kosenamen gegeben hatte. Niemand ahnte zum Zeitpunkt des Erscheinens, welche Wirkung dieser Artikel haben würde, zu dem ein Foto von Dominique gehörte, wie sie auf einer Küchenarbeitsfläche aus Marmor saß und an ihrem Champagnerglas nippte.
Selbst diejenigen, die den Artikel damals nicht gelesen hatten, kannten kurz darauf ihren Namen. Sie war, unabhängig von ihrem Mann, ein Promi geworden, eine Society-Lady, die sich vor Einladungen kaum mehr retten konnte und die jeder Veranstaltung Glamour verlieh. Eine Unzahl von Frauen eiferte ihr nach.
Wie es wohl ist, sinnierte Lizzie, wenn man alles gehabt und alles wieder verloren hat? Wenn man es bis ganz nach oben geschafft hat und dann von einem Tag auf den anderen ins Bodenlose stürzt? Wie es wohl ist, wenn man weiß, dass die Leute über einen herziehen und sich fragen, ob jedes Wort gelogen ist und ob man die ganze Zeit genau Bescheid gewusst oder gar seine Finger mit im Spiel gehabt hat?
Lizzie lief ein Schauer über den Rücken. Immer wenn sie in der Vergangenheit etwas über Dominique Delahaye gelesen hatte, hatte sie die Frau glühend beneidet. Sie war neidisch gewesen auf ihr Äußeres und ihren Lebensstil und vor allem auf ihren attraktiven, erfolgreichen Ehemann. Alle hatten Dominique geliebt. Alle hatten ihn geliebt. Sie galten als das Traumpaar schlechthin.
Damals, natürlich. Heutzutage nannte keiner sie mehr so. Trotzdem waren die beiden im vergangenen Jahr in den Medien präsenter gewesen als je zuvor. Lizzie kannte die meisten der Artikel und konnte daher gut mitreden, wenn es um den Austausch von Klatschgeschichten ging.
Die Delahayes waren ein Paar, über das es sich zu reden lohnte.
Kapitel 1
E r war der Erste gewesen, der sie Domino nannte.
Bis dahin hatte man sie immer nur Dominique gerufen. Daheim in ihrem Elternhaus lehnte ihre Mutter es strikt ab, eine Abkürzung ihres Namens oder einen Kosenamen zu verwenden. Für Evelyn war es einfach unbegreiflich, wieso manche Eltern sich die Mühe machten, einen hübschen Namen für ihr Kind auszusuchen, nur um ihn dann später zu verstümmeln. Sie selbst hatte nie auf Eve oder Evie gehört, sondern stets darauf bestanden, Evelyn genannt zu werden. Beziehungsweise später Mrs Brady, selbstverständlich. Sie zog im Umgang mit Leuten, die sie nicht sehr gut kannte, generell diese Anrede vor. Sie schätzte es nämlich gar nicht, wenn Fremde ihr allzu vertraulich begegneten. Wie etwa neulich diese junge Frau in der Bank, die sich erdreistet hatte, Evelyn zu ihr zu sagen, als ob sie die besten Freundinnen wären, obwohl doch ihr Umgang sich darauf beschränkte, dass sie als Bankangestellte Evelyn am Schalter bediente. Das Wort Respekt geriet in der heutigen Welt immer mehr zu einem Fremdwort, fand Evelyn, und die Menschen heutzutage zeigten viel weniger Achtung als noch zu der Zeit, in der sie selbst jung gewesen war. Wenn man sie, Evelyn,
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