Bis das Glück mich findet
Tasse Tee bringen, Emma?«, fragte Dominique besorgt.
»Das wäre schön.«
»Ich geh nur mal eben auf die Toilette. Ich bring sie dir auf dem Rückweg mit.«
»Danke.«
Gabriel stand noch im Foyer des Hotels, als Dominique aus dem Gastzimmer kam.
»Gut, dass ich dich noch erwischt habe«, sagte sie.
»Was gibt’s?«
»Es geht um Emma.«
»Was hat sie denn?« Seine Stimme klang plötzlich alarmiert.
»Ich weiß es nicht.« Dominique blickte forschend in das Gesicht ihres Bruders. »Was meinst du denn?«
»Sie hat Kummer und tiefes Leid erfahren, und deshalb ist es nur natürlich, dass sie Schmerz empfindet«, erwiderte Gabriel. »Aber sie wird darüber hinwegkommen.«
»Es ist nur … die Art, wie sie dir nachgeschaut hat, als du vorhin gegangen bist.«
»Und?« Gabriel schaute seine Schwester forschend an.
»Ich dachte nur … ich habe mich gefragt …«
»Was denn?« Gabriels Augen waren wachsam.
»Ach, nichts.« Es ging einfach nicht. Dominique hatte nicht mehr den Nerv, Emmas Gefühle mit ihrem Bruder zu diskutieren. Er würde sie, wie immer, als lächerlich abtun, und sie, Dominique, würde sich bescheuert vorkommen, weil sie überhaupt davon angefangen hatte. Er hatte recht. Emma hatte gerade ihre Mutter verloren, und jeden Tag konnte ihr Baby auf die Welt kommen. Ihr Hormonhaushalt war wahrscheinlich völlig durcheinander. Kein Wunder, dass man den Eindruck hatte, sie schleppe eine schwere Last mit sich herum.
»Gut.« Gabriel hörte sich erleichtert an.
»Beerdigungen haben schon so was an sich«, bemerkte Dominique mit leicht bebender Stimme. »Da geht einem so manches durch den Kopf, wie? Und es sind Dinge dabei, über die man lieber nicht nachdenken sollte.« Unwillkürlich waren ihr ihre eigenen Sorgen eingefallen, und sie stellte sich bang die Frage, ob Brendan sie wirklich verstehen konnte, was weitere Kinder betraf. Und sie hatte Angst, dass sie mit ihrer Feigheit und ihrem Egoismus ihre Ehe aufs Spiel setzen könnte.
Gabriel schaute sie aufmerksam an. »Geht dir gerade etwas durch den Kopf, wobei ich dir helfen könnte?«, fragte er vorsichtig. »Gibt es Dinge oder Menschen in deinem Leben, die dich beunruhigen?«
»Deine Priestersprüche kannst du dir bei mir sparen«, erwiderte sie barsch. »Ich brauche so was nicht, besten Dank.«
»Ich spreche jetzt nicht als Priester zu dir, Domino«, erwiderte Gabriel geduldig. »Ich bin dein Bruder. Du bittest mich nie um Rat oder Hilfe, aber du sollst wissen, dass ich für dich da bin, wenn du mich brauchst.«
Ihr ganzes Leben lang hatte sich Dominique schwer damit getan, Gabriel, ihren Bruder, von Gabriel, dem Priester, zu trennen. So wie jetzt auch wieder. Sie sagte es ihm.
»Ich war nicht mein Leben lang Priester«, erwiderte er.
»Aber du hattest schon immer eher was von einem Heiligen. Und weniger von einem Bruder.«
»Und wie war das damals, als du verbotenerweise auf den Apfelbaum geklettert bist und ich dich runtergeholt habe, damit Mam und Dad nichts davon mitbekommen?«
»Du hast dafür gesorgt, dass der Haussegen nicht schief hing«, antwortete sie mit einem plötzlichen Grinsen. »Und du hast mir eine Buße auferlegt, drei Ave-Maria auf den Knien, im Gartenhäuschen.«
»Na gut, aber damals, als Dad mich fast umgebracht hat, weil ich in dem kleinen Laden an der Ecke Süßigkeiten geklaut hatte?«
»Das kauf ich dir nicht ab!« Dominique war baff vor Staunen. »Daran kann ich mich überhaupt nicht erinnern.«
»Du hast eben ein sehr selektives Gedächtnis.«
»Blödsinn«, fuhr sie ihm über den Mund. »Du hattest immer was Heiliges an dir. Trotz deiner kriminellen Vergangenheit.«
Gabriel lachte laut, und sie schmunzelte. Dann nickte sie und holte tief Luft.
»Was ist mit Emma?«, fragte sie unvermittelt.
»Was soll mit ihr sein?« Seine Augen wurden schmal.
»Mich beunruhigt, welche Gefühle sie möglicherweise dir gegenüber haben könnte. Besonders jetzt. Sie wirkt so bekümmert, und ich mache mir Sorgen, wie sich das auf ihre Ehe auswirken könnte.«
»Ah, Domino, sei nicht albern«, sagte er mit fester Stimme. »Sie liebt Greg. Sie bekommt ein Baby. Aber sie hat Schweres durchgemacht und fühlt sich ein bisschen isoliert da unten in Cork ohne ihren alten Bekanntenkreis. Sie mag es, jemanden in der Nähe zu haben, dem sie sich anvertrauen kann.«
»Sie hat viele neue Freunde dort gefunden«, erwiderte Dominique. »Sie ist immer umgeben von Leuten. Außerdem sollte sie sich Greg anvertrauen, nicht
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