Bis das Herz brennt - die inoffizielle RAMMSTEIN Biografie
wurde heftig kritisiert, weil Till aus der Sicht des Täters erzählt und in dessen Rolle schlüpft.
Noch eine Spur abseitiger handelt „Heirate mich“ von Sex mit einer Toten, wieder aus der Sicht eines diesmal nekrophilen Schänders. Hinzu kommt, dass die erste Silbe des Titels im Refrain immer dreimal als „Hei-, Hei-, Hei!“ gesungen wird, waseinige Kritiker dazu veranlasste, daraus ein nazistisches „Heil, Heil, Heil!“ zu machen, um sie wiederum in die rechte Ecke zu drängen.
Nicht ganz so befremdlich wie in „Heirate mich“, aber ebenfalls provokant wird das Thema Sex in „Du riechst so gut“ aufgegriffen. Darin wird von einem Mann erzählt, der, durch den Geruch einer Frau angeregt, ihr brünstig wie ein Tier folgt und Sex mit ihr haben möchte. In der zweiten Video-Version des Titels, die in ihrer Machart ganz an die „Dracula“-Verfilmung von Meisterregisseur Francis Ford Coppola aus dem Jahre 1993 angelehnt scheint, ist der im Text beschriebene Verfolger ein Werwolf. Er wird abwechselnd von allen Mitgliedern der Band dargestellt. Das Monster hat schließlich in einer undeutlich zu erkennenden dunkel ausgeleuchteten Szene Sex mit der Frau, wobei aus seiner Brust in diesem Moment die anderen Rammstein-Musiker als Werwölfe hervorbrechen und ebenfalls mit der Verfolgten intim werden – eine drastische Darstellung, die Rammstein sofort einen weiteren Vorwurf – dieses Mal den des Sexismus – einbrachte.
Der Text von „Du riechst so gut“ wurde Gegenstand der psychoanalytischen Untersuchung eines amerikanischen Germanistikstudenten. Das Ergebnis: Der Texter, also Till, soll einen Ödipuskomplex haben. Das griffen die Medien dankbar als negatives Stichwort auf und hefteten es dem Rammstein-Sänger an.
Allerdings kann die Band den Spieß auch umdrehen und selbst Kritik üben. Das beweist der Titel „Asche zu Asche“ auf „Herzeleid“. Wie Anika Raecke über den Song in ihrer Untersuchung „Die Rezeption von Rammstein“ schreibt, lassen Rammstein in dem Stück Jesus Christus „als ‚rachsüchtigen Untoten‘ wiederkehren (…) Er kehrt in Zorn auf seine Richter nach zehn Tagen zurück und rächt sich an ihnen. Die Textzeile ‚das Feuer wäscht die Seele rein‘ ist darüber hinaus ein Hinweis auf die jahrhundertelange inquisitorische Praxis des Christentums, die durch die Zeile ‚und übrig bleibt ein Mund voll Asche‘ vollständig dekonstruiert wird. Nach dem Feuertod ist die Seele des Sünders nicht gereinigt, sondern er ist schlicht tot, zu Asche verbrannt.
In diesem Lied werden eindeutig die religiösen Institutionen dafür angeklagt, einen Wahrheitsanspruch auf ihre Lehrsätze zu erheben, zum einen, indem Jesus Christus als rachsüchtiger und mitnichten selbstaufopfernder Mensch dargestellt wird, und zum anderen, indem auf die fälschliche Verurteilung von Menschen durch religiöse Machthaber angespielt wird.“
Diese Thematik setzt sich gleichfalls auf dem Stück „Der Meister“ fort, wie Raecke weiter formuliert: „Hier wird vor allem die Unterdrückung der Menschen durch die Auslösung von Angst durch die Ankündigung der Apokalypse skizziert. Den Menschen wird hier keine Hoffnung auf Rettung gegeben, die Angst ist der Weg und der Tod das Ziel.“ Damit schaffen Rammstein in den Songs natürlich eine düstere, hoffnungslose Stimmung, sie üben aber gleichsam eine provozierende Kritik an der christlichen Kirche.
Ein weiteres Themenfeld, das Till in den Texten auf „Herzeleid“ beackerte, waren die zwischenmenschlichen Beziehungen wie z. B. bei „Wollt ihr das Bett in Flammensehen?“ Darin beschreibt er, dass es in vielen Partnerschaften darum geht, dass der eine über den anderen nur Macht erlangen will und daraus einen Lustgewinn schöpft, ohne dafür die Verantwortung übernehmen zu wollen. Wieder wird diese Situation nur dargestellt, aber nicht moralisch verurteilt.
Um die Erfahrungen in Partnerschaften geht es auch im Titelstück des Albums, „Herzeleid“. Bei einem Gespräch mit dem Wochenmagazin
Focus
vom 02. 12. 2002 versuchte der Interviewer, Till aus der Reserve zu locken, indem er ihn damit konfrontierte, dass der Begriff aus dem berühmten altdeutschen Ritter- und Heldenroman „Parzival“ von Wolfram von Eschenbach aus dem 13. Jahrhundert stammen könnte. Darin heißt dessen Mutter „Herzeloyde“ oder „Herzeleide“. Die Richtung dieser Anmerkung ist klar: Auch hier könnte man wieder auf die Idee der Deutschtümelei kommen, weil Richard Wagner
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