Bis das Herz brennt - die inoffizielle RAMMSTEIN Biografie
den Parzival-Stoff als „Parsifal“-Oper verarbeitete – ein Komponist, der bekanntlich von den Nationalsozialisten sehr geschätzt und einseitig vereinnahmt wurde.
Allerdings erläuterte Till als Antwort in diesem Interview, woher er das Wort übernommen hat: „‚Bewahret einander vor ‚Herzeleid‘ ist ein alter Spruch, den man auf Stickarbeiten oder in Eichenrinde geschnitzt findet.“ Und darum geht es auch in dem Stück. Der Spruch, den man auf vielen Hochzeitskarten vom Beginn des 20. Jahrhunderts findet, bedeutet, dass man als Paar gut miteinander umgehen sollte, um den anderen nicht zu verletzen, damit man im Alter auf eine glückliche Partnerschaft zurückblicken kann. Till rät in dem Song allerdings dazu, sich möglichst gar nicht auf die Zweisamkeit einzulassen und auf diese radikale Weise möglichen schmerzhaften Erfahrungen mit Partnern aus dem Wege zu gehen.
Der Rammstein-Texter verarbeitete in „Herzeleid“ die Trennung von seiner Partnerin, die er in der Anfangszeit der Band selbst erlebte. Diese Situation schilderte Bandkollege Richard Kruspe in einem Interview für die Ausgabe 05/06 des britischen
Metal Hammer
(übersetzt): „Ich trennte mich gerade von meiner Freundin. Ich habe so etwas tief Emotionales früher noch nie erfahren (…) Till erlebte etwas Ähnliches, und weil ich ein guter Freund war, blieb ich für ein paar Monate bei ihm. Ich glaube, wir halfen einander über die Situation hinweg. Tatsächlich litt auch der Rest, der zu Rammstein werden sollte, selbst an persönlichen Problemen. Deshalb sagt der Name des Albums wirklich alles über unseren Gemütszustand.“
Als der Titel „Herzeleid“ feststand, die Songs aufgenommen waren und es daran ging, das Album herauszubringen, stand noch die Frage des Covers im Raum. Darauf sind letztendlich die sechs Musiker mit nacktem Oberkörper und schweißglänzend vor einer überdimensionalen Blume zu sehen. Im Booklet sind die Bandmitglieder einzeln neben den teilweise auf Französisch übersetzten deutschen Texten kurzhaarig abgebildet. Die Kritik stürzte sich auf die Bilder und warf den Musikern vor, sich hier als Herrenrasse darzustellen. Rammstein wiesen diese Behauptung weit von sich.
An die ersten Coverentwürfe erinnert sich Richard ungern. Im genannten englischen
Metal Hammer
-Gespräch sagte er: „Wir akzeptierten, dass die Fotos auf einem Parkplatz gemacht wurden, ohne zu überlegen, worauf wir uns einließen. Als wirsahen, was der Designer damit machte, flippten wir aus! Wir sahen so (…) schwul aus! Jeder von uns ausgezogen bis zur Hüfte. Es war wie eine Werbung für einen Pornofilm. Also mussten wir sagen: ‚Sortiere die Bilder aus. Lass uns wieder heterosexuell aussehen. Ändere das Cover.‘ “
Mit der Darstellung, die letztendlich dabei herauskam, waren sie aber anscheinend zufrieden, wie man an einem Interview vom 10. 08. 2004 für das Musikmagazin des Labels Motormusic auf www.motor.de sehen kann. Richard sagte: „Was uns da geritten hat? Das ‚Herzeleid‘-Cover mit den freien Oberkörpern. Das fanden wir toll! (lautes Gelächter).“ Und Schneider ergänzte schallend lachend: „Das fanden wir gaaaanz toll! Wirklich! Wenn ich das jetzt sehe, denke ich: ‚Was sind das für Typen? Wer kauft denn so was?‘ Mit so einer Blume im Hintergrund! Ein Broilerfoto [Broiler ist in der DDR die Bezeichnung für Hähnchen, Anm. d. Autoren] mit einer Blume im Hintergrund! Was ist das denn?!“ Die Medien sahen in der Abbildung der freigelegten Männerkörper Beweise für homoerotische Neigungen. Besonders in den USA kam die Ansicht auf, dass Rammstein eine homosexuelle Band sei.
Solche Reaktionen und Kommentare, die Kritik an den Texten und die permanenten Versuche, die Band in die sexistische, rechtsradikal-faschistische oder wenigstens chauvinistisch-nationalistische Ecke zu stecken und ordentlich auf sie einzuprügeln, zeigten: Rammstein provozierten und regten auf. Das Sextett wurde nicht nur registriert, sondern auch, als „Herzeleid“ im September 1995 erschien, zu einem heißen Diskussionsgegenstand, der die Musikjournaille wie kaum eine andere Band polarisierte.
So zerriss das bekannte und zu jener Zeit mainstream-orientierte Magazin
Musikexpress/Sounds
das Rammstein-Debüt „Herzeleid“ in seiner Ausgabe 10/99 mit den vernichtenden Worten: „Abgesehen davon, dass deutschnationaler, stampfender Proletenrock mit ausgeprägtem Crossover-Potenzial noch nie besonders einladend klang, macht vor allem ein
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