Bis das Herz brennt - die inoffizielle RAMMSTEIN Biografie
Nazi-Ästhetik angespielt hatte (speziell beim Video zu „Stripped“ und dem Cover der CD „Live aus Berlin“), bekam er die knappe Antwort: „Wenn du speziell das Cover siehst, das ist doch wirklich witzig.“ Der
ME/Sounds
-Mann bohrte nach: „Ist das ganze Projekt Rammstein, inklusive des Namens, für euch nur witzig?“ Kruspes Antwort auf diesen Einwand fiel jetzt um einiges konkreter aus: „Nein“, meinte er zunächst. Und weiter: „Viele denken, dass wir am Tisch sitzen und uns was ausdenken. Ich würde es so erklären: Früher gab es immer einen in der Klasse, der angeeckt ist, der Miesepeter, der schwarze Bube. Wenn du sechs von denen auf einmal am Tisch hast, entsteht eine ganz bestimmte Energie. Und diese Energie eckt an. Es ist nicht so, dass wir alle rumsitzen und uns denken, wie können wir jetzt wieder provozieren? Es liegt wahrscheinlich an der Chemie zwischen uns, die provoziert schon so.“
Lindemann war auch mit dieser Antwort nicht vollständig zufrieden und wollte von Richard wissen, ob er damit einverstanden war, dass „ihr euch in eurem Verständnis nah an einem Kunstbegriff bewegt, der in der Zeit des Nationalsozialismus vorherrschend war?“ Richard konterte wiederum mit einem klaren „Nein“: „Ich mag eine bestimmte Ästhetik“, erklärte er weiter. „Aber die kommt nicht aus dem Nationalsozialismus, sondern die kommt speziell für uns aus dem sozialistischen Realismus. Wir sind im Sozialismus aufgewachsen. Du als Münchner“, hielt er dem Autor vor, „kennst das nicht. Wir sind mit Demonstrationen, mit Kinder- und Jugendspartakiaden aufgewachsen. Wenn wir solche Bilder sehen, haben wir das Gefühl, zu Hause zu sein.“
Regisseur Phillip Stölzl, der vom Video „Du hast“ an die Optik der Band entscheidend mitbestimmte und unter anderem auch für den Clip zu „Stripped“ verantwortlich zeichnet, gibt als Inspirationsquelle für Rammstein-Videoideen in der
Berliner Zeitung
vom 23. 06. 2005 an: „Bei Till Lindemanns Lyrik fallen mir Expressionisten wie Georg Kaiser ein, der mystische Komponist Anton Bruckner, schwarze Romantik. Die Musik spricht eine schwere, erotische, blutige Sprache, okay, aber für mich ist dieser Wille zum großen Symbol ein opernhaftes Moment.“
Und auch Christoph Schneider äußerte sich in seinem Aufsatz für das 2001 erschienene Buch „Rammstein“ über den stetig wiederkehrenden Vorwurf der Nazi-Ästhetik bei seiner Band ungewöhnlich präzise: „Rammstein ist mit Sicherheit einedeutsche Band. Wir benutzen die Muttersprache, den Rhythmus der Marschmusik, komponieren mit einheimischer Ordnung und Präzision, texten mit sorgfältiger Wortwahl, posieren auf der Bühne wie Kampfhähne, schätzen die Symmetrie und das Gerade-Eckige, tragen Kurzhaarfrisuren und rollen das ‚R‘. Schließlich kommen wir ja von hier. Wie sonst könnte eine moderne Rockband des soeben zu Ende gegangenen Jahrtausends klingen, die sich nicht am internationalen Musikgeschehen orientiert? Was kann man machen, was es noch nicht gibt? Was haben die Leute noch nicht gesehen?“ 17 Und er fährt fort: „Geld und Quote gehen inzwischen vor Inhalt und Sinn. Die Medien von heute sind Meister in dieser Disziplin. Genau deshalb ist eine Band wie Rammstein richtig“, schlussfolgert Schneider. Um zu guter Letzt zu erwähnen: „Deshalb müssen wir Ärger machen.“ 18
17 Rammstein, S. 26, 29.
18 Rammstein, S. 29.
13. Rammstein on Stage: Die perfekte Show
Als der Astronom Jean Claude Merlin im 11. 10. 2001 von einem Rammstein-Konzert kam, entdeckte er am Himmel einen Asteroiden. Noch beeindruckt von dem Gig, beschloss Merlin, dass der Himmelskörper nach der Band benannt wurde. Er bekam am 19. 02. 2006 offiziell den Namen „110393 Rammstein“.
Um derart faszinierende Shows, die zu einem einzigartigen Markenzeichen der Band wurden, auf den Rammstein-Tourneen oder bei einzelnen Auftritten präsentieren zu können, war immer eine Menge Vorarbeit nötig. Die begann schon ein halbes Jahr, bevor die Band das erste Mal die Bühne betrat, und ging mit der Ideensammlung los. Für die Show-Konzeption wurden alle Vorschläge für die Konzertgestaltung in einen Topf geworfen, die sich während einer Tour aber auch flexibel ändern konnte.
Beteiligt an dieser Planung waren alle Bandmitglieder, doch die Regie führte der Lichtkünstler Gert Hof, der seit dem Rammstein-Konzert in der Berlin Arena 1996 namens „100 Jahre Rammstein“ für die meisten Shows das Bühnen- und
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