Bis das Herz brennt - die inoffizielle RAMMSTEIN Biografie
sich Konkurrenzdruck ausgesetzt fühlten, antwortete Flake: „Nicht direkt, aber man darf sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen. Sonst heißt es auf einmal: ‚Ach ja, Rammstein, die sind auch schön‘, während man selber denkt, es wäre alles in Ordnung.“
Verschwindend wenig Konkurrenz haben Rammstein dagegen im deutschsprachigen Europa, wenn es um schockierende und provozierende Texte geht. Und die ließ sich Till Lindemann auch für „Mutter“ einfallen – obwohl ihm die Themenfindung etwas schwerfiel, weil sich der Druck von der Plattenfirma und vom Management, wieder einen Mega-Seller hervorzubringen, bemerkbar machte, wie Paul Landers in einem Bandinterview für die Wochenzeitung
Die Zeit
in ihrer Ausgabe 14/01 verriet: „Sagt Till: Okay, Inzest hatt’ ich schon, Mord hatt’ ich schon, Albtraum hatt’ ich schon (…) Welche Schlechtigkeiten haben wir schon abgehakt, wo können wir das Schiff noch hinführen?“ Aber Paul ergänzte in dem Gespräch beruhigend, dass Till noch „viele Ideen in der Richtung hat“.
Und das gilt auch für das Album „Mutter“, für dessen Songs sich Till einiges an aufwühlenden Inhalten einfallen ließ – wie beim Titelsong des Albums. Darin geht es um ein Kind, das als Retortenbaby künstlich gezüchtet wurde und tieftraurig darüber klagt, keine Mutterliebe zu bekommen. Da dieses Stück Namensgeber für das Album war, folgte die Gestaltung von Cover und Booklet diesem Thema – mit schockierenden Motiven, die nach Erscheinen des Albums sofort für Medienberichte sorgten, welche die Bilder als geschmacklos und widerlich kritisierten.
Stein des Anstoßes war vor allem das Cover, welches das Foto eines Embryos zeigt, das im Mutterleib gestorben ist. Im Inneren des CD-Heftes sind die Rammstein-Musiker porträtiert als riesige eingelegte tote Feuchtpräparate, wie man sie – in kleinerer Form – in der Medizin oder Biologie zur Konservierung von Körperteilen von Tieren und Menschen anfertigt. Flake erzählte im Interview mit dem
EMP Merchandising-Magazin
im April 2001, wie es zu den Aufnahmen kam: „Durch Zufall sahen wir in einer Illustrierten Fotos von Geo und Daniel Fuchs. Das Ehepaar hat sich darauf spezialisiert, wissenschaftliche Präparate wie lebendige Wesen zu fotografieren. Ihre Bilder sind dabei mehr auf die Ästhetik ausgerichtet, sie wirken sehr friedvoll und schön, nicht die Gothic-Grusel-Ecke. Wir nahmen also Kontakt zu den beiden auf, und sie willigten ein, uns abzulichten: endlich mal etwas Lebendiges! Die Fotos wurden in einem speziellen Studio mit einem großen runden Glasbehälter gemacht, wie ein riesiges Aquarium. Wir sind ins Wasser getaucht und haben entsprechende Posen eingenommen. Zwei Tage lang waren wir vier bis sechs Stunden lang nur zum Luftholen über der Wasseroberfläche. Hat aber einen Riesenspaß gemacht. Wenn man so lange im Wasser ist, fühlt man sich schwerelos wie im Weltall.“
Der Inhalt der ersten Single des Albums, „Sonne“, ist dagegen etwas weniger aufwühlend. Es geht darin um die Erfahrungen eines Süchtigen mit den zerstörerischen Auswirkungen seines Drogenkonsums. Im dazugehörigen Videoclip wird das Märchen vom „Schneewittchen“ der Gebrüder Grimm verarbeitet. Die Rammstein-Musiker spielen darin die Zwerge, die für ein übel gelauntes, tyrannisches und drogenabhängiges Schneewittchen arbeiten. Im Gespräch mit
Rock Hard
für die Ausgabe 06/04 erzählte Paul von den Dreharbeiten: „Die Schneewittchen-Geschichte hat uns riesigen Spaß gemacht. Der Videodreh dauerte zwei Tage, und weil wir am späten Abend des ersten Tages keine Lust mehr hatten, von Babelsberg nach Hause zu fahren, schliefen wir gleich in dem kleinen Zwergenhaus. Ein Freund von uns fuhr zur Tankstelle und holte eine Kiste mit diversen Getränken. Danach ließen wir uns im Studio einschließen und feierten in dem Zwergenhaus eine richtige Zwergenparty.“
Der Song wäre fast nicht entstanden, hätte man bei Rammstein nicht angefragt, ob sie nicht Lust hätten, für den damaligen ukrainischen Profi-Boxer Vitali Klitschko eine Einmarschhymne für den Ring zu komponieren. Der Titel sollte „Boxer“ lauten. Allerdings lehnte Klitschko ihn als zu hart ab. In einem Interview für die Ausgabe 06/04 von
Rock Hard
erinnerte sich Paul Landers daran: „Als die Anfrage kam, setzte Till sich hin und umschrieb das Thema Boxen so mit Worten, dass es nicht so flach wirkt. Und dann entstand im Proberaum das Lied (…) Wir hatten uns die Sache
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