Bis das Herz brennt - die inoffizielle RAMMSTEIN Biografie
Strophe, Bridge, Refrain und andere Bestandteile untergliedert und zusammengesetzt, wie Waggons zu einem Zug verbunden werden. Das verschafft den Liedern eine straffe Struktur, die beim Zuhören noch mehr zupackt.
Mit diesen erweiterten musikalischen Möglichkeiten probierte die Band Neues aus und streute bislang für sie unbekannte Einflüsse ein, wie etwa die Euro-Dance-Klangtupfer bei „Ich will“. Darüber sagte Flake in einem Interview mit dem Magazin des Metal-Fan-Artikel-Unternehmens EMP Merchandising im April 2001: „Wir haben uns bemüht. Für mich hätte es gerne noch experimenteller sein können. Doch ohnehin haben es nicht alle Stücke auf das Album geschafft, wir haben noch ein paar Sachen für B-Seiten oder ein Filmchen übrig. Bis zum Ende des Mixes waren wir uns nicht sicher, welche Tracks wir für die Platte nehmen.“
Bei der Auswahl der Album-Tracks werden Rammstein nicht nur von ihrer Plattenfirma beraten. Auch das Urteil von Freunden, denen sie fertige Songs vorspielen und besonders die Meinung der Fans sind ihnen wichtig. Von ihnen durfte ein kleiner Kreis die fertigen „Mutter“-Titel schon vor der Veröffentlichung hören. In einem Fanclub spielte die Gruppe ein Geheimkonzert, an dem nicht mal Vertreter von „Motor Music“ teilnehmen durften. Von der Reaktion der Zuhörer auf die einzelnen Lieder machten es die sechs Musiker abhängig, welcher Titel letztlich auf das Album gebannt wurde.
Die Titel, die sie schließlich auf die Öffentlichkeit losließen, klangen ganz nach Rammstein. Wieder trafen Pop-Harmonien und schwere Gitarren-Riffs aufeinander, diesmal allerdings nicht so rau und ungestüm wie noch auf den ersten beiden Alben. Dazu sagte Gitarrist Paul Landers später in einem
Rock Hard
-Interview der Ausgabe 06/04: „Ich weiß jetzt nicht, was besser und schlechter ist. Fakt ist zumindest, dass ‚Herzeleid‘ roher klingt. ‚Mutter‘ hingegen klingt gebügelter, produzierter. Allerdings war ‚Herzeleid‘ damals in einer extremeren Position als Jahre später ‚Mutter‘. Man darf nicht vergessen, wann die Alben herauskamen. ‚Mutter‘ erschien in einer Zeit, in der viele andere Gitarrenbands Platten machten, die genauso gut oder besser als unsere Songs klangen. Deshalb ist ‚Mutter‘ nicht als Meilenstein in die Geschichte eingegangen. Ich finde ‚Herzeleid‘ im Nachhinein eher süß und denke heute nicht: Wow, was für ein Sound!“
Tatsächlich knüpft „Mutter“ sehr an das im Vergleich zum Debüt etwas eingängigere Vorgängeralbum an. Und wie fünf Jahre zuvor bei den Aufnahmen zu „Engel“ holte sich Till Lindemann wieder Bobo, die Sängerin der Band Bobo in White Wooden Houses, ins Studio, die ihn diesmal beim Song „Nebel“ gesanglich unterstützte. Ein weiterer Gast war Richard Kruspes Tochter Khira Li, die auch auf „Live aus Berlin“ im Stück „Tier“ zu hören ist. Sie sang auf dem neuen Album zusammen mit Till den Refrain des Songs „Spieluhr“.
Eine weitere Parallele zum Vorgängeralbum ist, dass die Band in die Songs von „Mutter“ einige Samples und auch musikalische Gags einbaute, wie z. B. bei „Adios“. In diesem Titel singt Till Lindemann im Hintergrund kurz „Bopbopschubop“, wie es in vielen US-amerikanischen Rock’n’Roll-Titeln der 1950er und 1960er Jahre üblich war, und begleitet sich und seine eigene Melodie führende Stimme mit diesem kurzen rhythmischen Stakkato selbst. Die Band wollte dadurch einen typischen Rock’n’Roll-Chor jener Ära nachahmen. „Adios“ klingt mit seinem schnellen, hämmernden Rhythmus überhaupt sehr amerikanisch nach damals frischen und in den USA populären Metal-Bands. Es hatte ein wenig den Anschein, als ob Rammstein solchen Gruppen nacheifern wollten, die auch schon mal ihre Tourpartner waren, wie z. B. Soulfly im Jahr 1999. Flake bestritt das in einem Interview mit dem Magazin von EMP Merchandising im April 2001: „Eigentlich nicht, wir wollten nur unbedingt mal was mit einem Rockabilly-Rhythmus machen. An amerikanischen Bands haben uns Korn und Limp Bizkit am meisten beeindruckt. Es ist ziemlich eindrucksvoll,was im Publikum passiert, wenn die spielen. Da brennt die Luft. Wenn wir auf der Bühne standen, waren die Leute eher steif. Der Grundrhythmus dieser Bands ist einfach unheimlich hart. Da haben wir uns manchmal schon gedacht: So ganz auf dem neusten Stand sind wir auch nicht mehr. Man muss aufpassen, dass man nicht im Museum landet.“ Auf die anschließende Frage, ob sie
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