Bis dass der Tod euch scheidet
verdrehte daraufhin die Augen. „Es bringt gar nichts, wenn du dir ansiehst, wie diese norwegische Sau dich besteigt. Gar nichts! – Es macht dich nur fertig!“
Er betrachtete Dylan genau, wie jener zusammengekauert auf dem Boden saß und völlig verstört auf den Laptop blickte. Keine Frage, Dylan war längst fertig. Warum musste er sich noch weiter quälen?
Sein Anblick machte Tony betroffen, doch ebenso auch wütend und unzufrieden
„Ich habe es schon mehrfach gesagt: Es stört mich nicht im Geringsten, dass du schwul bist. Von mir aus kannst du dir hier Typen einladen und mit ihnen rumvögeln, bis die Wände wackeln. - Aber auf diese Psychoscheiße hab ich keinen Bock! Du wirst dadurch unkonzentriert und die Arbeit leidet darunter!“
Tony brüllte, dann sah er gestresst auf die Uhr.
„Um 18 Uhr treffen wir uns im Proberaum. Und dann bist du gefälligst besser drauf. Und kein Wort mehr über Thor Fahlstrøm!“
Dylan kniete noch immer auf dem Boden. Er war unter Tonys Geschrei regelrecht in sich zusammengesackt und wagte keinen Widerspruch mehr. Vielleicht war Tony die einzige Person, die sich so einen derben Tonfall ihm gegenüber überhaupt erlauben durfte. Und vielleicht war Tony auch die einzige Person, vor der Dylan kuschte, wenn es hart auf hart kam.
Er nickte demzufolge nur still, sah allerdings nicht auf.
Ein bedrücktes Schweigen stellte sich ein, in der man Tony tief durchatmen hörte. Schließlich kniete er sich zu Dylan hinunter und griff nach dem kaputten Laptop.
„Ich besorg einen Neuen, okay?“
„Danke“, entwich es Dylan leise. Er fuhr sich schnell über die Augen, um aufkeimende Tränen wegzuwischen. Auf dem Boden blieb der USB -Stick liegen. Dylans zittrige Hand streckte sich danach aus, um ihn fest zu umklammern.
Tony beobachtete diese Geste. Er wusste genau, was das bedeutete und seufzte laut.
„Reiß dich zusammen, Dylan, bitte, reiß dich zusammen.“
Als Tony mit dem defekten Laptop wieder ins Erdgeschoss kam, saß dort immer noch Clifford am Esstisch. Er hatte jedes Wort mitbekommen, was bei dem lauten Geschrei kein Wunder war.
„Bist du nicht zu hart mit ihm?“, fragte Cliff sofort.
Tony legte den Laptop ab, betrachtete ihn dabei prüfend, doch für dieses elektrische Gerät kam jede Hilfe zu spät.
„Man muss mit Dylan so umspringen, damit er überhaupt ansatzweise pariert. Und so, wie er sich derzeit aufführt, schadet er nicht nur seinem Image, sondern auch der Band.“
Clifford verstand, was Tony befürchtete und trotzdem drängte sich eine Frage in den Vordergrund.
„Glaubst du, Dylan ist in Fahlstrøm verliebt?“
Wieder seufzte Tony unzufrieden, dabei verzog sich sein Gesicht. „Ich befürchte es, obwohl ich mir gar nicht ausmalen mag, was das für Konsequenzen haben könnte …“
Es wurde nicht mehr über diese Angelegenheit gesprochen, bis die Proben im Keller abgeschlossen waren. Trotzdem sich RACE mitten in einer Tournee befand, übten sie ihre Live-Performance, wann immer es ging.
Dylan schien an diesem Abend allerdings ohne Elan, irgendwie ausgepowert. Seine Bandkollegen tolerierten das ohne Worte, und auch Tony hielt sich mit weiteren Kommentaren zurück. Als sie fertig waren, kam er sogar auf Dylan zu und überreichte ihm ein großes Paket. „Wurde eben geliefert. Dein neuer Laptop … Bitte geh in Zukunft ordentlicher damit um…“
Mit schwachen Händen nahm Dylan das Paket entgegen. „Danke …“, entwich es ihm kaum hörbar.
„Keine Ursache“, antwortete Tony, dabei zwinkerte er dem Sänger schelmisch zu. „Wird von deiner Gage abgezogen …“
Sie sahen sich beide lächelnd an, bis Tony wieder an den Ernst der Lage erinnerte.
„Gibst du mir den USB -Stick mit dem Video?“
Daraufhin schüttelte Dylan den Kopf. „Nein.“
„Bist du dir sicher?“
Dylan nickte. Er war sich sicher. Und ihm war ebenso klar, dass Tony ihn mit dieser Aufforderung weiterhin nur schützen wollte.
„Okay“, erwiderte jener demzufolge. „Es ist deine Entscheidung … Doch ich will deswegen kein Gejammer mehr hören.“
Dylan hatte daraufhin fest versprochen, nichts mehr von dem Video zu erwähnen und sich diesbezüglich zusammen zu reißen.
Doch das hinderte ihn nicht daran, den USB- Stick am späteren Abend in den neuen Laptop zu stecken.
Über eine Stunde saß er dann vor dem Gerät, leerte dabei ein paar Gläser Wein und fixierte nur den schwarzen Bildschirm, bis er sich endlich entschloss, den Rest des Videos
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