Bis dass ein Mord uns scheidet
fast einen Meter achtzig groß und hätte ein Modell für diese ausdruckslosen Schaufensterpuppen abgeben können. An seinem dünnen Körper trug er eine marineblaue Hose und ein Jackett über einem cremefarbenen Stehkragenpullover. Er sah aus, als würde er zur Entspannung Algebragleichungen lösen.
Ich balancierte die Katzenschachtel auf meiner Hüfte und streckte meine rechte Hand aus. »Ich bin Samantha Shaw. Mir gehört …«
»Samantha Shaw. Ja, jetzt weiß ich, wer Sie sind.«
Ich ließ meine von ihm ignorierte Hand sinken und blinzelte.
Seine Stimme war weder dröhnend, noch schimpfte er, aber in seinem Tonfall lag ein vornehm herablassendes Grinsen, als würde er eigentlich sagen: Jetzt weiß ich, wer Sie sind, nämlich die städtische Schlampe. »Aha. Nun, ist Dominic da? Oder wissen Sie, wo ich ihn erreichen kann?«
»Haben Sie noch nicht genug getan, Ms. Shaw? Lassen Sie Dominic in Frieden. Er ist wegen dieses Mordes völlig verzweifelt, und dann diese unangenehme Befragung durch die Polizei. Wir wissen, wer ihn bei der Polizei verpfiffen hat, nicht wahr, Ms. Shaw?«
Er versprühte mit jedem Wort Feindseligkeit. Interessanter-weise veränderte sich der Ausdruck seines hageren Gesichts kaum. Ich hatte Lust, nachzusehen, ob nicht eine Hand in seinem Hintern steckte und ihn ein Bauchredner kontrollierte.
Die heißen Dolche, die meinen Rücken durchbohrten, erinnerten mich an die Elternvereinigungsfrauen hinter mir. Ich schob mein Kinn vor und sprach weiter ruhig. »Wer sind Sie? Arbeiten Sie für Dominic? Ich bezweifle, dass es ihm gefallen wird, von Ihrem Verhalten zu hören.«
Er starrte mich an seiner schmalen Michael-Jackson-Nase vorbei an. »Ich bin Tristan Rogers, der Miteigentümer von Smash Coffee. Und Dom braucht mich, um ihn vor solchen Leuten wie Ihnen zu schützen. Er ist zu gefühlsduselig. Ich hatte ihn davor gewarnt, zu Ihrer schmierigen Partnervermittlung zu gehen.«
Das Blubbern und Zischen der Kaffeemaschinen kämpfte gegen das Wutgeheul in meinem Kopf an. Das Kaffeeschlürfen der Elternvereinigungsfrauen hinter mir hörte vollständig auf.
Ich sah in die leeren, dunklen Augen von Mr.
Schaufensterpuppe und dachte an das Pfefferspray an meinem Schlüsselbund. Diese wächserne Haut würde sich verziehen und dann zur Pfütze eines reuigen Arschlochs zerfließen.
Okay, ich war genervt.
»Hören Sie, Rogers. Ich hatte einen schlechten Tag. Eigentlich habe ich eine schlechte Woche. Gestern ist eine tote Frau auf mich gefallen, und Sie können mir glauben, dass es persönlich wird, wenn man unter einer Leiche gefangen ist. Ich will einfach nur wissen, wer, zum Teufel, sie getötet hat. Das gefällt Ihnen nicht« – ich hob meine freie Hand hoch, für den Fall, dass er dumm genug war zu glauben, er dürfe reden – »das ist mir egal.
Sie wollen mich davon abhalten, mit Dominic zu sprechen, dann sollten Sie am besten den Laden schließen und sich eine Waffe zulegen, denn ich werde mich nicht von einem arroganten Kaffeejungen aufhalten lassen!« Ich wirbelte mit der Katzenschachtel in der Hand herum und stürmte zur Tür hinaus.
Schwer atmend stand ich im strahlenden Sonnenlicht. Es war kühl, aber mir war immer noch heiß vor Zorn. Wie konnte er es wagen, meine Partnervermittlung schmierig zu nennen? Ich arbeitete verdammt hart, damit sie respektabel war.
»Sam?«
Ich zuckte zusammen und sah zum Kätzchen in die Schachtel.
Peinlich berührt, wurde mir klar, dass die Stimme nicht aus der Schachtel gekommen war, sondern von hinter mir. Ich drehte mich um, sah Linda Simpkins, die Vorsitzende der Elternvereinigung, und ein paar andere Damen, die mich beobachteten. Sie waren mir aus Smash Coffee gefolgt.
Perfekt. Ich hatte mich vor der Elternvereinigung, die meinen Ruin seit dem Tag, an dem ich sie verlassen hatte, vorhergesagt hatte, zum Narren gemacht. Ich setzte ein Lächeln auf und sagte:
»Hallo, Linda, meine Damen.«
»Sam, wir haben alle das über Faye gehört. Es ist einfach furchtbar. Äh, was du da gesagt hast, von wegen Fayes Mörder suchen – ermittelst du?«
Was sollte ich darauf antworten? Die Frauen gehörten zu einem weit verzweigten Telefonbaum, der noch aus meinen Tagen als Freiwillige stammte. Ich war erbarmungslos über Ausreden hinweggegangen und hatte immer noch einen zweiten Plan gehabt. Falls ich eine Mutter nicht dazu überreden konnte, zum Beispiel stundenlang an der Zuckerwattemaschine zu stehen, dann hatte ich einen zweiten Vorschlag bereit, der etwas
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