Bis die Daemmerung uns scheidet
wusste nicht, warum, aber sie wusste, dass es so war.
»Hey«, sagte hinter ihr jemand leise, und als Claire sich umsah, entdeckte sie Eve. Für das Fitnessstudio hatte sie auf ihr Gothic-Make-up verzichtet, aber auf ihrem engen T-Shirt war ein rosafarbener Totenkopf mit einem Schleifchen abgebildet und auf die Seiten ihrer Sporthose waren ein Totenkopf und gekreuzte Knochen aus Strasssteinchen appliziert. Ihr schwarzes Haar hatte sie straff zu einem schimmernden Pferdeschwanz zusammengefasst. Noch schmuckloser war Eve eigentlich nie, es sei denn, sie war verkleidet. »Hast du das gesehen? Was zum Teufel war das? Macht Shane jetzt einen auf Wolfsmensch, oder was?«
»Ich weiß nicht«, sagte Claire und sprang von ihrem Trainingsgerät herunter. »Aber …«
»Mein Freund hat Probleme«, beendete Eve den Satz für sie. »Ja, ohne Witz. Du bist also auch zum Spionieren hierhergekommen?«
»Auch?«
»Jetzt komm schon. Siehst du in mir einen dieser völlig durchgeschwitzten Typen, die ganz versessen darauf sind zu trainieren? Ganz bestimmt nicht.« Eve musterte sie prüfend. »Und du bist das auch nicht, aber wahrscheinlich kommst du damit durch. Musstest du die zehn Mäuse zahlen, um reinzukommen?«
»Ja.«
»Das ist weit weniger lustig, als ich erwartet hatte. Erstens gibt es hier nichts Interessantes zu glotzen, und wenn doch, dann ist derjenige viel zu verschwitzt. Oder Furcht einflößend. Oder beides.« Eve schauderte theatralisch. »Was hältst du davon, wenn wir irgendetwas anderes machen?«
»Was zum Beispiel?« Claire war noch immer von Shanes Anblick abgelenkt, der wie eine Statue am Rand der Kampfzone kniete. Er war noch immer in dieser anderen Welt, den Blick in die Ferne gerichtet.
Eves Blick ruhte mit einem hinterlistigen Lächeln auf ihr. »Hast du jemals gefochten?«, fragte sie.
Eine Sekunde lang dachte Claire, sie hätte sie missverstanden, aber dann antwortete sie: »Oh, du meinst so richtig mit Schwertern?«
»Genau. Wenn ich schon schwitze, dann wenigstens auf eine coolere Art. Komm mit.«
»Moment mal. Du fechtest?«
»Ich habe in der Highschool damit angefangen«, sagte Eve. »Los komm, wir können uns unterwegs noch unterhalten. Ich musste irgendeinen Sport wählen und ich mag diese dummen Mannschaftssportarten nicht. Fechten erschien mir retro-cool, außerdem versucht man dabei, spitze Sachen in den Gegner zu stechen. Das hielt ich für eine gute Idee.«
Eve hatte eindeutig schon einige Zeit länger in dem Fitnessstudio verbracht und jede Ecke davon ausgekundschaftet. Claire hatte keine Ahnung gehabt, dass es noch einen anderen Teil gab, der sich hinter einer Tür in der Nähe der Toiletten befand. Dort waren einige Racquetballfelder (sicher unterteilt mit durchsichtigem Plastik) und sogar ein Tennisplatz. Vielleicht hatten auch Vampire mal Lust auf Tennis und schließlich konnten sie es nicht draußen in der Sonne spielen. Ganz hinten war ein Raum mit Holzboden und Regalen an den Wänden, auf denen Schwerter, Stapel von weißen Uniformen und diese abgefahrenen vergitterten Helme lagen.
»Gut. An deiner Stelle würde ich nicht mit einem Säbel anfangen«, sagte Eve und schob Claire weiter, die nachdenklich eine Reihe im Regal betrachtet hatte. »Zu elastisch für Anfänger. Wie wäre es mit einem schlichten alten Florett? Du darfst damit nur zwischen Hals und Taille zielen, aber man darf nicht doppelt antippen. Kinderleicht.«
Sie schnappte sich zwei lange, schmale Waffen und warf eine davon Claire zu, die sie auffing. Das Florett fühlte sich seltsam in ihrer Hand an, aber überhaupt nicht schwer. Die Klinge war irgendwie kantig und an ihrem Ende befand sich eine runde Spitze. Probehalber ließ sie sie durch die Luft sausen und Eve lachte.
»Es ist eine Waffe zum Stechen«, sagte sie. »Warte, wir ziehen dir erst einen dieser Anzüge an, bevor du etwas angreifst.«
Etwas anziehen klang nicht so kompliziert, wie es dann wurde. Als Eve damit fertig war, sie wie eine Schwert tragende Puppe auszustaffieren, fühlte sich Claire nicht besonders kriegerisch. In diesem Ding schwitzte sie und hatte Platzangst. Außerdem hatte sie keine Ahnung, wie sie sich in der dicken Polsterung und dem engen, vergitterten Helm bewegen, geschweige denn kämpfen sollte.
Eve hatte ihren eigenen Fechtanzug dabei, den sie aus einer mit Totenköpfen verzierten Tasche zog. Ihr Anzug war schwarz und dort, wo Eves Herz saß, prangte ein Piratenschädel mit gekreuzten Knochen. Sie sah gefährlich aus. Und
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