Bis die Daemmerung uns scheidet

fühlte oder tat.
    Und genau das war auch Shane passiert.
    »Klar, sie kann Männer dazu bringen, sie zu mögen«, sagte Michael. »Das ist nicht besonders schwer. Aber sie zu verändern, so wie Shane sich verändert hat? Das ist etwas ganz anderes. Ich glaube, das schafft nicht mal Glory. «
    »Wer könnte das wissen?«, fragte Claire. »Amelie?«
    »Vielleicht. Oder Oliver. Er scheint sie besser zu kennen.«
    Claire fiel wieder ein, dass Oliver im Common Grounds mit Gloriana an einem Tisch gesessen hatte. Ja, sie schienen sich damals ziemlich vertraut gewesen zu sein. Ihr Magen rebellierte ein wenig, denn das Letzte, was sie sich vorstellen wollte, war, dass Oliver jemals irgendeine Art von Liebesleben mit jemandem haben könnte. Das war einfach abstoßend. »Frank sagte etwas von …« Erschrocken klappte sie den Mund zu, Adrenalin schoss durch ihre Adern, weil sie Frank nicht hatte erwähnen wollen. Nie wieder. »Ich meine, bevor er, ihr wisst schon …«
    »Gestorben ist?«, half Eve weiter. »Bevor er zu diesem großen Motorradrennen im Himmel aufgebrochen ist? Bevor er abgekratzt ist?« Sie warf Michael einen warnenden Blick zu, als er zusammenzuckte. »Was? Ja, ich bin unsensibel, aber Shane ist nicht da, und außerdem bin ich jetzt total sauer. Frank Collins war nie Mr Charming, als er noch am Leben war. Ich weiß nicht, weshalb ich ihm dann posthum Respekt zollen sollte.«
    Das lenkte alle auf wunderbare Weise von Claires Faux-pas ab und sie nutzte die kostbare Zeit dazu, sich zu überlegen, wie sie Frank aus dem Spiel lassen und trotzdem sagen konnte, was sie meinte. »Wir müssen herausfinden, was sie hier macht«, sagte Claire. »Irgendetwas verwandelt die Menschen im Fitnessstudio in einen Mob und wir wissen alle, dass Amelie das am meisten fürchtet. Ein menschlicher Mob kann die Vampire einzeln zur Strecke bringen. Sie wird alles tun, um zu verhindern, dass so etwas überhaupt anfängt. Wenn Gloriana dahintersteckt, müssen wir das beweisen.«
    »Was, wenn Bishop dahintersteckt?«, fragte Michael. Eve gab ein ersticktes Geräusch von sich. »Es ist genau das, was Bishop wollen würde – Menschen, die sich gegen Vampire verbünden, Chaos und Tod. Ihm ist es gleichgültig, wer dabei zu Schaden kommt.«
    »Übel«, stimmte Eve zu. »Wenn er Gloriana für sich arbeiten lässt …«
    »Dann könnte das eine größere Sache sein als erwartet«, beendete Michael den Satz. Er schwieg einen Augenblick, dann sagte er: »Das kann ich herausfinden.«
    »Wie?« In Eves Tonfall schwang Schärfe mit und Claire blickte zu ihr hinüber. Sie schien angespannt zu sein, ihre Hände lagen ineinander verkrampft auf ihren Oberschenkeln.
    »Indem ich mit Glory rede«, sagte er. »Hör mal, sie mag mich. Sie wird mir etwas sagen.«
    »Klar, und das werde ich natürlich ganz entspannt hinnehmen, so ein vertrauliches Gespräch«, sagte Eve, »nur ihr zwei …«
    »Eve …«
    »Wir haben abgemacht, dass du dich von ihr fernhältst.«
    »Das hier ist etwas anderes. Das ist nicht nur … Hör mal, hier geht es vielleicht um Shanes Leben. Und um das Leben vieler anderer Menschen. Unschuldiger Menschen. Mit Glory werde ich schon fertig.«
    »Tatsächlich?«, fragte Eve. »Mir ist nämlich aufgefallen, dass du sie nie Gloriana nennst. Immer nur Glory. «
    Er hielt den Mund. Wahrscheinlich das Schlaueste, was er in diesem Fall machen kann, dachte Claire. Eve hatte wirklich recht. Es war schon etwas verräterisch, wie sich Michael praktisch darum riss, mit ihr zu reden.
    Auf der restlichen Heimfahrt herrschte unangenehmes Schweigen. Als Michael anhielt und den Motor ausschaltete, fragte Claire: »Glaubt ihr, er kommt nach Hause?«
    »Meinst du heute Nacht? Nein«, sagte Michael. »Wenn du fragst, ob er jemals wieder nach Hause kommt – ich weiß es nicht. Der, den wir dort angetroffen haben, war nicht Shane. Aber ich denke, das weißt du.«
    Sie wusste es. Es tat so weh, als hätte sie eine Kugel aus Nägeln in der Magengrube, und jedes Mal, wenn sie an ihn dachte, stiegen ihr die Tränen in die Augen, sodass sie nichts mehr sehen konnte. »Dann muss ich ihn zurückholen«, sagte sie. »Um jeden Preis.«
    Ihr Handy klingelte und sie schaute auf das Display, in der wilden Hoffnung, es könnte Shane sein. Aber es erschien kein Bild und keine Nummer. Sie klappte es auf und meldete sich mit »Hallo?«.
    »Ich wusste ja gar nicht, dass dein Freund so heiß ist«, sagte eine Mädchenstimme. »Viel heißer als du. Du bist mit jemandem