Bis die Daemmerung uns scheidet
er gerade aus irgendeiner billigen Reality-Show ausgeschieden. »Du bist immer wie ein Möchtegern-Blutsauger in der Stadt herumgelaufen und jetzt lässt du es dir von einem besorgen«, sagte er. »Leute, die es mit Vamps treiben, hasse ich noch mehr als die Vamps selbst. Wenigsten verhalten sich die Vamps so, wie es für sie natürlich ist. Solche wie du sind einfach nur pervers.«
Eve zuckte ein wenig zusammen, doch dann hob sie das Kinn. »Ehrlich? Wenn man mal betrachtet, was ich von den Mädchen höre, mit denen du so ausgehst, Sandro, solltest du dir vielleicht zweimal überlegen, so etwas zu behaupten. Ich musste die Hälfte der Sachen, die du von ihnen verlangt hast, auf Urban Dictionary nachschlagen, es war wirklich widerlich.«
Eve hatte das Halsband wieder umgebunden, bevor sie das Haus verlassen hatten, aber jetzt griff Sandro danach und riss daran – genau wie Shane es getan hatte. Er schaffte es nicht, es abzureißen, aber er zog es so weit herunter, dass die Vampir-zahnabdrücke deutlich zu sehen waren. »Seht euch das an. Eine wandelnde Blutbank. Ich habe gehört, du bietest auch WIMW – das steht für Wann Immer Michael Will …«
Michael stellte sich vor Eve und trat Sandro gegenüber. »Willst du das vielleicht auch zu mir sagen?«
Sandro lachte. »Du hast wohl die Lektion von deiner kleinen Freundin da noch nicht gelernt, was? Klar. Du hast nämlich keinen Rückhalt, Glass. Deine ganze Familie ist schon seit dem finsteren Mittelalter Liebling der Vampire, aber wir lassen uns diesen Wir-sind-besser-als-ihr-Mist nicht mehr bieten. Nicht hier. Hier bist du allein, du Miststück.«
Shane, der hinter ihnen stand, war sehr still geworden. Claire sah ihn an. Sein Gesicht war gefasst, er lächelte nicht. Sie spürte, wie Panik in ihr aufstieg. Das hier war real und es war gefährlich. Rad und ein paar andere, die nicht wütend zu sein schienen, wichen zurück, entfernten sich aus der Menge. Vielleicht würden sie Hilfe holen, vielleicht aber auch nicht. Sie würde sich absolut nicht darauf verlassen, dass ihnen der Typ am Empfangstresen zu Hilfe eilen würde.
Michael war ein Vampir, aber er war jung und konnte nicht allein gegen diese Menge kämpfen. Darüber hinaus versuchte er noch, Eve und Claire zu beschützen.
Und Shane stand nicht hinter ihm. Er stand hinter keinem von ihnen. Das war offensichtlich und schmerzhaft und Eve warf ihm den unglücklichsten und enttäuschtesten Blick zu, den Claire sich vorstellen konnte. »Und du stehst einfach nur da«, sagte sie. »Du stehst einfach nur da und lässt das mit uns geschehen. Mit uns. Sogar mit deiner eigenen Freundin.«
Shane wandte sich ab und fing wieder an, auf den Sandsack einzudreschen.
»Shane«, flüsterte Claire. »Bitte. Bitte.«
Er zauderte und einer seiner Schläge fiel ganz sanft aus. Er hielt den Sandsack fest, damit er nicht mehr hin und her schwang, und blickte sie über seine Schulter hinweg an. Für eine lange, schreckliche Sekunde dachte sie, er würde einfach weitermachen mit dem, was er gerade tat, doch dann nickte er Sandro zu und forderte mit scharfer Stimme: »Lass sie gehen«, sagte er.
Sandro ließ seine Knöchel knacken. »Nenn mir einen guten Grund.«
»Das bin ich ihr schuldig«, sagte Shane. »Lass sie gehen.« Wieder hieb er mit erstaunlicher Kraft auf den Sandsack ein. »Aber befolgt meinen Rat, Freunde. Kommt mich nicht wieder suchen. Keiner von euch.«
Es wurde gemurrt, aber dann öffnete sich langsam der Kreis. Eve ergriff Michaels Hand und zog ihn auf den Ausgang zu. Claire zögerte. Sie starrte auf Shanes Rücken, wie er tanzte, schwankte und schlug.
»Shane«, sagte sie. »Ich liebe dich trotzdem.«
Er antwortete nicht. Sandro schubste sie ihren Freunden nach.
»Du hast gehört, was er gesagt hat«, sagte Sandro. »Haut schleunigst ab und kommt nicht wieder. Er hat kein Interesse.«
Noch einmal sah sie sich um. Auf Shanes Gesicht zeichnete sich Schmerz ab – echter Schmerz. Während er weiter gegen den Sandsack kämpfte, trafen sich ganz kurz ihre Blicke, dann schaute er weg.
Seine Augen waren rot. Tränen und Schweiß waren nicht zu unterscheiden, aber sie konnte sich vorstellen – nein, sie wusste es –, dass er völlig am Boden zerstört war.
Denn sie war es auch.
Tränen stiegen in ihr auf und liefen ihr über die Wangen. Bebend zog sie die Luft ein, die nach Schweiß, Metall und Hoffnungslosigkeit schmeckte.
Eve nahm sie an der Hand. »Komm«, sagte sie. »Du kannst hier nichts mehr
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