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Bis du erwachst

Bis du erwachst

Titel: Bis du erwachst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lola Jaye
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Millie dann älter wurde, erschienen ihr eine Menge Dinge befremdlich. Sie fand sie oft kalt. Auch der Umstand, dass sie ihre Mutter Kitty nannte, war ein Zeichen für die Kälte in ihrer Beziehung.
    Aber all das spielte jetzt keine Rolle. Kitty war wieder zu Hause.
    Sie sah auf ihre Uhr. Sie hatte das Vorstellungsgespräch für den Job bei Dorothy Perkins verpasst und verspürte gleichermaßen schlechtes Gewissen wie Erleichterung. Es war nicht so, dass sie den Job nicht hätte haben wollen – aber der Einzelhandel war einfach nicht so ihr Ding.
    «Und, wie geht es dir, Mills?», fragte Kitty.
    Ihre Mutter hatte sie als kleines Mädchen immer Mills genannt, und Millie war gerührt, dass sie sich jetzt daran erinnerte.
    «Abgesehen von   … dem, was mit Lena passiert ist, geht es mir recht gut. Ich hab allerdings eine harte Zeit hinter mir.»
    Genaugenommen war sie vor allem in die Arbeit und wieder nach Hause gekommen, hatte zu wenig Miete für ihr Einzimmerapartment bezahlt, war dann aus besagtem Apartment hinausgeflogen, war aus dem Job rausgeflogen (wieder einmal) und bei Lena eingezogen. Aber das brauchte Kitty ja nicht zu wissen.
    Cara nahm eine Ausgabe der Zeitschrift
Pride
aus der Tascheund steckte die Nase hinein. Millie brachte Kitty auf den neuesten Stand. Sie ließ nur die
wirklich
beschissenen Stellen aus.
    Wieder zurück in Lenas und Millies Zuhause, legte Kitty sich schlafen. Jetlag, die Traurigkeit und das Alter forderten ihr Recht. Millie warf sich auf ihr Bett und fühlte sich plötzlich sehr allein. Gut, sie waren eine total kaputte Familie, aber sie gehörten doch immer noch zusammen, dachte sie und starrte an die rissige Decke. Seit Lenas Unfall, schon davor eigentlich, waren die Nächte für sie immer besonders schlimm gewesen. Nachts hatte sie zu viel Zeit zum Nachdenken. Ob sie wohl je jemanden fände, der sie lieben könnte?
    Vielleicht war sie ja einfach nicht liebenswert.
    Das musste es sein. Ihre Eltern hatten diese Theorie ja schon bestätigt: Sie hatten sich beide aus dem Staub gemacht. Zuerst ihr Vater, Donald Curtis. Er war eins neunzig groß, ein richtiger Hüne von einem Mann, und hatte sich nie bemüht, seinen Töchtern Zuneigung zu schenken. In ihrer Kindheit hatte Millie das ganz normal gefunden, bis sie eines Tages für ein Diktat einen Einser einheimsen konnte, während ihre Freundin Margot gerade mal «befriedigend» bekommen hatte. Die Art, wie Margots Dad seine Tochter draußen vor der Schule vor Begeisterung beinahe erdrückt hätte, war etwas, was Millie nie vergessen würde. Vor allem, da ihr eigener Vater nur verlegen grinste, «Gut gemacht!» sagte und sich dann gleich wieder hinter seiner Zeitung verschanzte, als sie ihm ihre eigene Arbeit reichte. Trotzdem hatten der elfjährigen Millie diese Worte damals unendlich viel bedeutet, und sie hatte das Diktat gehütet wie einen Schatz, zum Beweis, dass sie es ihrem Vater tatsächlicheinmal hatte recht machen können. Doch er hatte sich trotzdem drei Jahre später von seiner Familie getrennt. Und seine Worte verloren ihre Bedeutung.
    Für ihre beiden Schwestern war das alles kein Problem mehr gewesen. Sie waren damals schon erwachsen gewesen und wohnten nicht mehr zu Hause. Die Trennung der Eltern schien sie nicht weiter zu überraschen. Aber für Millie war es ein totaler, schrecklicher Schock gewesen. Sie war von einer Probeklausur nach Hause gekommen und hatte mit ansehen müssen, wie ihr Vater seine Sachen in eine Reisetasche stopfte und dann im Familienvolvo davonfuhr. Er hatte versprochen, sie anzurufen.
    Dass ihr Vater nicht mehr da war, hatte sie hart getroffen. Der Schmerz darüber war nie ganz abgeklungen.
    In Kitty hatte die Scheidung neue Lebensgeister geweckt. Sie zeigte aller Welt, was sie draufhatte, und verschwand schließlich nach Southampton, um «sich selbst zu finden». Aber wer kümmerte sich um Millie?
    Wer würde
sie
finden?
    Sie schaute auf ein Gruppenbild von ihr und ihren Freundinnen. Als es geknipst wurde, alberten sie mit orangefarbenen Federboas und knalligem Lippenstift vor einem Club herum. Nikki und Tosin waren ihre Freundinnen, die hatten sie doch gern, oder nicht? Oder ging es bei ihrer Freundschaft nur darum, sich die Kante zu geben, um dann aus den Clubs raus- und in die Arme diverser Männer hineinzustolpern? Lena liebte sie, das war definitiv sicher. Aber Lena war nicht da. Nicht zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte Millie sich unglaublich einsam. Sie zog ihr Handy heraus und tippte

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