Bis du erwachst

es gar nicht glauben!» Cara hatte ihren zehnten Jahrestag vergessen!Es war das erste Mal, dass ihr ein derartiger Termin einfach entfallen war. Irgendwann letzte Woche hatte sie noch daran gedacht, aber dann war so viel passiert, dass sie es einfach vergessen hatte.
    «Mach dir nichts draus. Du hast genug um die Ohren. Wir alle. Und jetzt setz dich hin und versuch zu erraten, was ich dir gekauft habe.» Er beugte sich über die Sofalehne und holte eine Schachtel hervor.
    «Ein Geschenk? Für mich?» Spielerisch boxte Cara ihn in den Arm. Der Mann war einfach unglaublich, und sie war die schlimmste Freundin auf der ganzen Welt. Wie konnte sie nur ihren Jahrestag vergessen!
    «Mach auf», drängte er sie.
    Sie hob den Deckel der cremefarbenen Schachtel hoch und nahm einen exquisiten Schuh heraus. Er war aus mintgrünem Satin und hatte eine hohe Plateausohle.
    «Ich hoffe, sie gefallen dir», sagte Ade nervös.
    «Die sind ja unglaublich. Einfach TOLL», sagte Cara und drückte ihm einen dicken Kuss auf die Lippen.
    «Sie sind gedacht   … für wenn wir ausgehen   … weißt du   …»
    Einen Augenblick verspürte Cara einen Anflug von schlechtem Gewissen, weil sie es wagte, an schöne Dinge zu denken, weil sie sich erlaubte, davon zu träumen, wieder Spaß zu haben.
    Aber wie immer konnte Ade ihre Gedanken lesen. «Das ist schon okay, weißt du. Lena wäre bestimmt auch dafür. Sie weiß, dass Schuhe einfach dein Ding sind. Und es
ist
schließlich unser Jahrestag.»
    Sie dachte an den letzten Jahrestag. Ade hatte einen Tisch in einem wunderbaren kleinen Restaurant bestellt.Es war so romantisch und vollkommen gewesen. Und jetzt, ein Jahr später, wünschte sie sich nichts sehnlicher, als dass Lena wieder aufwachen würde. Zum Teufel mit allem anderen!
    Die Leute wissen einfach nicht, wie gut sie es haben.
    Sie aßen bei Kerzenlicht auf ihrem kleinen Balkon zu Abend, und es war wunderbar.
    Er hatte sich so viel Mühe gegeben, vielleicht gerade wegen der Umstände. Doch das einzige Geschenk, das sie sich wirklich wünschte, bestand darin, dass Lena aus ihrem Tiefschlaf aufwachte, mit breitem Lächeln, und um ein Ingwerbier bat. Jede Nacht stellte sie sich vor, dass ein Anruf aus dem Fen Lane käme und sie ins Krankenhaus rief, weil Lena nach ihr fragte. Aber der Anruf blieb aus.
    «Auf uns!», sagte Ade, als sie mit ihren Sektgläsern anstießen.
    «Auf Lena», sagte Cara.
    Kurz darauf klopfte jemand unerwartet an die Tür, und einen Moment lang überlegte Cara, ob es wohl jemand vom Krankenhaus war.
    «Wer war das?», fragte Cara, als Ade von der Tür zurückkam.
    «Jemand von nebenan – er hat für uns eine Sendung angenommen, während wir bei der Arbeit waren.»
    Cara sah sofort die lila Rosen. Sie waren herrlich und hatten Ade sicher ein Vermögen gekostet.
    «Die sind nicht von mir, Schatz.»
    Cara sprang auf und nahm die Karte aus dem Strauß.
    Für meine Schwester – alles Gute zum zehnten Jahrestag. Ich hab dich lieb.
    Für Ade – wie hast du es nur so lang mit ihr ausgehalten. Alles Liebe und so, Lena.
    PS: Wisst Ihr eigentlich, wie schwer es ist, lila Rosen aufzutreiben?

18
    Cara betrachtete zufrieden die frischen Margeriten, mit denen Michael die roten Rosen ersetzt hatte. Cara hatte eine einzelne Rose aus ihrem Jahrestagsstrauß mitgebracht und zu den Margeriten in die Vase gestellt. Sie musste zugeben, dass das Stillleben an Lenas Bett jetzt wirklich gut aussah: der C D-Player ein knallrosa Farbtupfer, daneben die Blumen, und dann noch der leise Duft nach der Zitronengraslotion, mit der sie Lena die Kopfhaut massiert hatte. Cara war immer noch ganz benommen von Lenas wundervollem Geschenk. Die Tatsache, dass Lena die Rosenlieferung so weit im Voraus geplant hatte, machte sie unglaublich glücklich, bewies es doch, dass ihre Schwester auch noch kurz vor dem Unfall voll Liebe und Aufmerksamkeit an sie gedacht hatte.
    «Ich hab mal gelesen, dass vertraute Stimmen und Geräusche helfen können», sagte Michael, während Cara Lena den Haarreif wieder aufsetzte. Obwohl sie sich nie über die täglichen Besuche im Krankenhaus beschweren würde, war sie froh über die Gesellschaft von Michael, der anscheinend recht oft herkam. Für sie bedeutete es, dass sie sich nicht gleichzeitig auch noch um Kitty zu kümmern brauchte, die zum Glück gerade auf einem ihrer Rundgänge auf dem Krankenhausgelände war.
    «Diese Untersuchungen sind wirklich faszinierend   …»
    «Ich weiß   …», begann sie, und dann sah