Bis du erwachst
wir es damit probieren. Also, du weißt, was ich meine, ja? Ein Versuch.»
«Wovon sprichst du?»
«Das weißt du doch.»
Cara verdrehte entnervt die Augen. «Nicht schon wieder das. Nicht schon wieder.»
Abrupt stand sie auf.
«Wohin gehst du?»
«Ade, es war ein höllisch langer, wenn auch schöner Tag. Können wir bitte wann anders darüber reden?»
«Natürlich, tut mir leid. Ich hätte es nicht ansprechen sollen. Wann?»
«Was wann?»
«Wann können wir darüber reden?»
«Bald. Gute Nacht, Ade. Ich gehe schlafen.»
Sie ließ den Mann, den sie liebte, auf dem Sofa zurück, mit einem hoffnungsvollen Lächeln auf den Lippen, das sie so ungern enttäuschte. Aber sie musste es tun, denn keine zehn Pferde brächten sie dazu, ein Baby zu bekommen.
21
Cara fuhr sich mit dem Lippenstift über die schmalen Lippen und musste sofort an Millies volle Lippen denken. Lena hatte die schönen Augen der Familie geerbt, und beide waren sie groß … Aber egal, dafür hatte sie selbst Unternehmungsgeist und das Selbstvertrauen, alles anzupacken, was ihr in die Quere kam, außer …
«Schatz?»
«Was denn?» Nachdem Ade die Babybombe hatte platzen lassen, war Cara ziemlich gereizt. Na ja, von einer Bombe konnte man vielleicht nicht direkt reden, schließlich hatte er seinen Kinderwunsch schon vor Lenas Sturz erwähnt.
«Wir kommen zu spät in die Bar.»
«Von mir aus.» Sie verdrehte genervt die Augen und sah sich dann im Schlafzimmer nach ihren braunen Lieblingssandalen mit den Fesselriemchen um.
«Ich dachte letzten Abend, wie nett es doch wäre, wenn Lena aufwachte und sie hätte eine Nichte oder einen Neffen», sagte Ade. «Das fände ich ganz phantastisch.» Hoffnungsfroh sah er sie an.
«Du kannst wirklich furchtbar unsensibel sein, Ade!»
Er sah sie verwirrt an.
«Weil», fuhr sie fort und fand endlich die Handtasche,die zu den Schuhen passte, «du im Prinzip nichts anderes sagst, als dass Lena die nächsten neun Monate nicht aufwacht. Vorausgesetzt, ich würde mich bereit erklären, gleich mit dem ‹Üben› anzufangen. Und dass es dann auch schnell geht. Und dass ich überhaupt will!» Allmählich wurde sie wirklich sauer.
«Es war doch nur ein Gedanke, Schatz.»
«Fängst du schon wieder an! Bitte behalte deine Bemerkungen in Zukunft für dich. Manchmal sind sie nämlich verdammt daneben.» Wenn sie sich so zuhörte, musste sie schon zugeben, dass sie wie eine Fünfjährige klang. Sie musste einfach Zeit herausschinden. Er durfte ihr nicht schon wieder all diese Fragen stellen. Kein Babygerede mehr. Sie wusste, dass die Satellitenschüssel keine gute Idee gewesen war. Jetzt schaute er heimlich den Babykanal. In letzter Zeit schwärmte er ständig von Elizas Nichte. Das musste aufhören.
Sie bekam keine Luft mehr.
Sie brauchte Lena.
Und so stand Cara eine Stunde später wieder im Krankenzimmer.
«Ach, Schwesterherz, ich brauche dich jetzt wirklich sehr. Mein Leben geht gerade den Bach hinunter», begann sie. «Ade fragt zu oft nach Du-weißt-schon-was, und ich weiß nicht, was ich ihm sagen soll. Ich habe Angst, dass er mich dann hasst. Ich weiß, was du sagen willst: dass er mich nicht hasst, dass er nur verletzt sein wird, weil ich ihm nicht den wahren Grund sage, warum ich keine Kinder will. Ich bin mir nicht mal sicher, ob
ich
den Grund kenne. Es fühlt sich nur einfach nicht richtig an. Hat es noch nie.» Langsamschüttelte Cara den Kopf. Eine Woge der Trauer überrollte sie. «Ich meine, kannst du dir mich vorstellen …? Mit einem Gör?»
«Ach, und danke für deine Unterstützung, Schwesterherz.» Ihr Ton war jetzt ironisch. «Ade hat mir erzählt, wie sehr du dafür bist, dass wir für ein Baby ‹üben›! Anscheinend hattet ihr vor ein paar Monaten eine geheime Unterredung.»
Sie strich eine Falte in Lenas Bettdecke glatt.
«Ich kann einfach nicht. Du weißt, warum. Ich habe nur das Gefühl … jedenfalls weißt du, wie sehr ich ihn liebe …» Die Tür knarrte, und dann erschien Schwester Gratten.
«Tut mir leid, dass ich stören muss, aber ich …»
«Schon gut. Machen Sie nur. Ich hab nur ein wenig geplaudert.»
«Aber nicht doch, das ist gut. Je öfter sie vertraute Stimmen hört, desto besser. Hat sie gut zuhören können, als sie noch wach war?»
«Schon immer. Sie ist Beraterin bei einem Kindernotruf. Das ist ihr Beruf», erklärte Cara. Das war eindeutig das längste nichtmedizinische Gespräch, das sie je mit Schwester Gratten geführt
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