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Bis du erwachst

Bis du erwachst

Titel: Bis du erwachst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lola Jaye
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verlieren, war so unerträglich, dass es ihr schier das Herz zerriss.

26
    Cara umklammerte Millie sofort, wobei nicht ganz klar war, wer wen festhielt. Alles, was sie wahrnahmen, war das Summen in ihren Ohren, sie weigerten sich, zur Kenntnis zu nehmen, was sich da ihrem Blick bot.
    Ein leeres Bett.
    Keine Spur von Lena. Mehr als zwei Monate hatte sie hier gelegen, aber nichts war von ihr zu sehen. Selbst der Nachttisch war leer – Blumen und C D-Player waren verschwunden. Es war, als seien die letzten schmerzhaften Wochen nichts als ein Hirngespinst gewesen. Wenn es doch nur so wäre!
    Es gab nur zwei Erklärungen – wobei sie die schlimmere von beiden nicht einmal denken wollten: Entweder war Lena tot, oder sie war wieder aufgewacht, redete, trank in der Kantine eine Dose Ingwerbier   …
    «Nein! Bitte nicht   … nein!», heulte Millie, und Cara packte die Hand ihrer Schwester noch fester. Sie klammerten sich aneinander, boten sich gegenseitig Halt, vereint in diesem machtvollen, intensiven Gefühl von Hilflosigkeit und Furcht.
    Schwester Gratten kam ganz lässig ins Zimmer. Ganz so, als wäre ihre Welt
nicht
gerade eben zusammengebrochen.
    «Wo ist unsere Schwester? Bitte!», riefen Cara und Millie im Chor.
    Schwester Gratten zwinkerte verblüfft, dann sagte sie: «Was ist denn los?»
    «Sagen Sie es uns! Was haben Sie mit ihr gemacht!», fuhr Cara sie an.
    «Wir mussten sie nur verlegen – mit ihr ist alles in Ordnung. Es ging um die Sicherheitsvorkehrungen hier im Zimmer, das ist alles   …»
    Die beiden Frauen sanken vor Erleichterung ineinander, überwältigt von ihren Gefühlen.
    Endlich spürte Cara, wie ihr Herz wieder zu schlagen begann. «Warum hat man uns das denn nicht mitgeteilt?»
    «Es tut mir ja so leid!», erklärte Schwester Gratten.
    «Leid? Erst verschlampen Sie das Notizbuch, und dann das?»
    «Cara. Cara!», beruhigte Millie sie. «Es ist okay, sie ist am Leben, das ist alles, was zählt.»
    Cara runzelte die Stirn. Millie hatte recht, sie musste sich beruhigen. Ihre kleine Schwester legte die Arme um sie, und Cara spürte in dieser Umarmung Sanftheit und Kraft. Das war sie nicht gewohnt, am allerwenigsten von Millie.
    «Komm, schauen wir nach unserer Schwester», sagte Millie. Cara ließ sie vorangehen in Lenas neues Zimmer.
    An diesem Tag blieben die beiden Schwestern bei Lena. Sie machten ihr Bett und achteten darauf, dass die Dinge auf dem Nachttisch genauso angeordnet waren wie in ihrem alten Zimmer: C D-Player , frische Margeriten. Und dann gab es noch etwas Neues auf dem Tisch: ein Bild von ihnen, das wohl Kitty gebracht haben musste. Es zeigte die drei Schwestern, Millie neben Lionel, dem Hund, Cara undLena. Lena hatte Cara den Arm um die Schultern gelegt, Cara hielt sie um die Taille gefasst. Sie standen mit dem Rücken zur Kamera. Sie hatten keine Ahnung, wann die Aufnahme gemacht worden war, aber sie wussten, dass sie weder vorher noch nachher je zu dritt fotografiert worden waren.
    Als sie noch klein waren, war Millie die Hübsche gewesen, immer bereit, für ein Bild zu posieren. Cara war es egal gewesen, ob sie mit aufs Bild kam oder nicht. Lena hingegen war so mit ihren angeblichen Unzulänglichkeiten beschäftigt, dass sie sich nicht gern fotografieren ließ. Ohnehin wurden nie viele Bilder gemacht, und wenn, dann war Lena meistens nicht mit darauf. Daher hatte sich Kitty eines Tages von hinten angeschlichen, als die drei Mädchen auf dem Mäuerchen vor dem Haus saßen und Kaugummi kauten. Es war eine heimliche Aufnahme, für die die Mutter damals viel Spott geerntet hatte. Und jetzt bedeutete sie so unglaublich viel!
    Cara entschied, doch lieber nicht darüber zu sprechen, was zwischen ihr und Ade vorgefallen war. Stattdessen wurde es am Ende noch sehr lustig. Sie sprachen von den schönen Zeiten in ihrer Kindheit, die es durchaus gegeben hatte. Wichtiger noch: Ihre Kindheit war eine Zeit der Gemeinschaft gewesen, selbst wenn sie gewissermaßen erzwungen gewesen war. Trotzdem war es magisch gewesen. Sie hatten sich nicht um das verwirrende Leben kümmern müssen, das sie jetzt in Atem hielt. Damals waren sie noch offen gewesen für neue Erfahrungen. Vielleicht auch ohne Angst. Besonders Cara hatte sich damals aber schon danach gesehnt, hohe Absätze zu tragen, zur Arbeit zu gehen, eine Frau zu sein. Sie hatte so sehr erwachsen sein wollenund nicht gewusst, dass die Kindheit die kostbarste und schönste Zeit ihres Lebens hätte sein sollen.
    Millie goss Ingwerbier in

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